30.04.2006, 07:47
SPIEGEL ONLINE - 29. April 2006, 16:04
URL: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,413878,00.html
Globalisiert und geschmacksfrei
Treibhaustomaten und Brotvernichtung
Von Britta Sandberg
Küken in Massenproduktion, Brotberge, die vernichtet werden müssen: Die Wohlstandsgesellschaft kommt mit dem Essen nicht mehr hinterher. Der Film "We feed the world" zeigt die Auswüchse der Nahrungsmittelindustrie. SPIEGEL TV spürte der Lebensmittelvernichtung nach.
Hamburg - Der in dieser Woche in den deutschen Kinos angelaufene, österreichische Dokumentarfilm "We feed the world" widmet dem Thema ganze 90 Minuten. In Österreich läuft er seit Wochen mit großem Erfolg. Der Film des Regisseurs Erwin Wagenhofer beschäftigt sich ausführlich mit der Frage, ob es eigentlich normal ist, was im Jahre 2006 alles mit Lebensmitteln gemacht wird.
Ist es normal, dass in der Stadt Wien täglich tonnenweise Brot vernichtet wird? Dass Tomaten oft ihr Leben lang keine Erde mehr unter ihren Wurzeln haben? Dass ein Land wie Rumänien nun Hybrid-Saatgut-Auberginen anpflanzt? Dass hochsubventioniertes Gemüse aus Europa letztendlich zu Schleuderpreisen auf einem Markt in Dakar landet? Dass Nestlé-Chef Peter Brabeck vorschlägt, Wasser zu einem Verkaufsartikel zu machen?
So sollte es wohl eigentlich nicht sein - und trotzdem ist die Industrialisierung von landwirtschaftlicher Produktion unaufhaltbar mit all ihren unangenehmen Folgen. Es sei denn, es gäbe einen Konsumentenstreik. Aber der ist nicht in Sicht. Und so werden weiter tonnenweise Tomaten, die nur noch nach Wasser schmecken, in spanischen Treibhauslandschaften gezüchtet und Fische, die man niemals essen sollte, verkauft. Oder weggeschmissen.
Eichenchips im Wein
Im Biowerk Hamburg, dem modernsten seiner Art in Deutschland, wird aus den Abfällen der Wohlstandsgesellschaft zumindest noch neue Energie gewonnen. Dort werden Lebensmittelabfälle seit Montag dieser Woche verfeuert. Die gewonnene Energie beheizt unter anderem die Hamburger Color-Line-Arena. In Gießen durchsuchen jede Nacht junge Leute Lebensmittelcontainer vor Supermärkten nach Essbarem. Sie finden regelmäßig so viel, dass sie davon eine ganze Woche lang leben können. "Containern" heißt der Fachausdruck für diese Art der Lebensmittelversorgung.
Im Süden Deutschlands kämpft ein tapferer Winzer einen einsamen Kampf:gegen die Vereinheitlichung des Weingeschmacks und für eine Vinifizierung ohne künstliche Aromen. Seine Winzerkollegen in Kalifornien haben sich über solche Skrupel längst hinweggesetzt. Sie versetzen ihren Rot- und Weißwein gern mit sogenannten "oak chips" - kleinen Eichenchips, die in verschiedenen Graden "getoastet" dem Wein zu mehr Geschmack verhelfen. Ganz schnell und unkompliziert. Ohne aufwendige Lagerung im Eichenfass. Wahlweise gibt es die Chips auch mit Vanillegeschmack. Denn im Wein liegt schon lange nicht mehr nur die Wahrheit. Schöne neue Lebensmittelwelt!
Mehr dazu im SPIEGEL TV Magazin am Sonntag, 30. April, um 22.20 Uhr, RTL.
URL: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,413878,00.html
Globalisiert und geschmacksfrei
Treibhaustomaten und Brotvernichtung
Von Britta Sandberg
Küken in Massenproduktion, Brotberge, die vernichtet werden müssen: Die Wohlstandsgesellschaft kommt mit dem Essen nicht mehr hinterher. Der Film "We feed the world" zeigt die Auswüchse der Nahrungsmittelindustrie. SPIEGEL TV spürte der Lebensmittelvernichtung nach.
Hamburg - Der in dieser Woche in den deutschen Kinos angelaufene, österreichische Dokumentarfilm "We feed the world" widmet dem Thema ganze 90 Minuten. In Österreich läuft er seit Wochen mit großem Erfolg. Der Film des Regisseurs Erwin Wagenhofer beschäftigt sich ausführlich mit der Frage, ob es eigentlich normal ist, was im Jahre 2006 alles mit Lebensmitteln gemacht wird.
Ist es normal, dass in der Stadt Wien täglich tonnenweise Brot vernichtet wird? Dass Tomaten oft ihr Leben lang keine Erde mehr unter ihren Wurzeln haben? Dass ein Land wie Rumänien nun Hybrid-Saatgut-Auberginen anpflanzt? Dass hochsubventioniertes Gemüse aus Europa letztendlich zu Schleuderpreisen auf einem Markt in Dakar landet? Dass Nestlé-Chef Peter Brabeck vorschlägt, Wasser zu einem Verkaufsartikel zu machen?
So sollte es wohl eigentlich nicht sein - und trotzdem ist die Industrialisierung von landwirtschaftlicher Produktion unaufhaltbar mit all ihren unangenehmen Folgen. Es sei denn, es gäbe einen Konsumentenstreik. Aber der ist nicht in Sicht. Und so werden weiter tonnenweise Tomaten, die nur noch nach Wasser schmecken, in spanischen Treibhauslandschaften gezüchtet und Fische, die man niemals essen sollte, verkauft. Oder weggeschmissen.
Eichenchips im Wein
Im Biowerk Hamburg, dem modernsten seiner Art in Deutschland, wird aus den Abfällen der Wohlstandsgesellschaft zumindest noch neue Energie gewonnen. Dort werden Lebensmittelabfälle seit Montag dieser Woche verfeuert. Die gewonnene Energie beheizt unter anderem die Hamburger Color-Line-Arena. In Gießen durchsuchen jede Nacht junge Leute Lebensmittelcontainer vor Supermärkten nach Essbarem. Sie finden regelmäßig so viel, dass sie davon eine ganze Woche lang leben können. "Containern" heißt der Fachausdruck für diese Art der Lebensmittelversorgung.
Im Süden Deutschlands kämpft ein tapferer Winzer einen einsamen Kampf:gegen die Vereinheitlichung des Weingeschmacks und für eine Vinifizierung ohne künstliche Aromen. Seine Winzerkollegen in Kalifornien haben sich über solche Skrupel längst hinweggesetzt. Sie versetzen ihren Rot- und Weißwein gern mit sogenannten "oak chips" - kleinen Eichenchips, die in verschiedenen Graden "getoastet" dem Wein zu mehr Geschmack verhelfen. Ganz schnell und unkompliziert. Ohne aufwendige Lagerung im Eichenfass. Wahlweise gibt es die Chips auch mit Vanillegeschmack. Denn im Wein liegt schon lange nicht mehr nur die Wahrheit. Schöne neue Lebensmittelwelt!
Mehr dazu im SPIEGEL TV Magazin am Sonntag, 30. April, um 22.20 Uhr, RTL.