Hallo Emmily,
das ist ja schön für euch Wie sehr sich doch die Zeiten geändert haben! Ich kann mich noch gut an den Kalten Krieg erinnern, hab ihn auf der Ostblockseite erlebt. Dort wäre Simon ganz sicher nicht ausgemustert worden.
Und die Bundeswehr hatte damals auch noch einen höheren Personalbedarf.
In meiner Heimatstadt gab es eine sowjetische Kaserne. Als Kind habe ich fast jeden Tag einfache sowjetische Soldaten gesehen und fand immer, dass sie irgendwie nicht glücklich aussahen. Wer weiß, wie viele Allergiker unter ihnen waren? Natürlich weiß es niemand. Eine Uli-mäßige Allergiediagnostik gab es nicht.
In der DDR war es relativ einfach, für Kinder mit schwacher Konstitution und unklaren Krankheitsbeschwerden eine Kur zur allgemeinen Kräftigung zu bekommen. Zum Beispiel im Thüringer Wald. Ein Detail, was viele hier im Forum sicher "erfreuen" dürfte: In der Kur wurde auf eine gute Ernährung geachtet. Deshalb zum Abendbrot eine normierte Portion Butter ;D. Die reichte für mehrere Schnitten. Wollte das Kind nur ein einziges Schnittchen essen, musste es sich den ganzen "Butterberg" auf dieses eine Schnittchen schmieren. Denn die vorgeschriebene Menge Butter musste aufgegessen werden, egal was und wie viel das Kind sonst noch aß.
Hatte die Butterkur nichts gefruchtet, so war es für den Schularzt noch relativ einfach, einen Jungen von schwacher Konstitution von der vormilitärischen Ausbildung freizustellen. Der musste dann das Zivilverteidigungsprogramm der Mädchen mitmachen. War auch kein Spaß. Zum Beispiel: Gasmaske aufsetzen, um festzustellen, dass man unter dem ollen, stinkenden Gummiding erst recht erstickt.
In der Schulzeit gab es immer noch die Hoffnung, dass sich die schwache Konstitution mit der Zeit noch "auswächst". Dazu wurden von der Schulküche - Mittag gegessen wurde in der DDR in der Schule - reichlich Hülsenfrüchte :o 8) zugefüttert. Bohnen - Erbsen - Linsen. Interessanterweise hielt sich die Begeisterung der sozialistischen Jugend insbesondere für Bohneneintöpfe sehr in Grenzen.
Die Alten, die Notzeiten im und nach dem Krieg erlebt hatten, meinten, "die Jugend von heute" sei zu sehr verwöhnt und wisse nicht, was gut ist, wenn sie die Eintöpfe verschmähe. Das klang wirklich sehr plausibel. Erst hier im Forum habe ich gelernt, dass Hülsenfrüchte besonderes allergenes Potenzial haben.
Was die Kinder auf dem Teller ließen, kam der Schweinemast zugute. Die Essensreste wurden im Speisesaal in militärgrünen Kübeln gesammelt, bohnengrünen Kübeln. Gab es Bohnen, wurden die Kübel randvoll. So gelang die Schweinemast manchmal besser als die "Kindermast".
Dann kam die Musterung. Der Knabe, der von allen vormilitärischen Programmen befreit worden war und im Sportunterricht beim Handgranatenweitwurf Leistungen erzielte, mit denen er im Ernstfall als Selbstmordattentäter eingestuft worden wäre, wurde natürlich für tauglich befunden, und zwar für fast alle Verwendungszwecke außer Jagdflieger.
Dafür gab es zwei gute Gründe. Zum einen war auch der ungeeignetste Mann noch für die Militärstatistik gut genug.
Statistik = Abschreckungspotenzial
Zum anderen wurde für den Ernstfall mit riesigen Verlustzahlen gerechnet. Auch der "kränkeste Allergiker" eignete sich noch, um totgeschossen zu werden. Die Verluste bei den Mannschaften der Infanterie waren im Zweiten Weltkrieg (besonders auf der sowjetischen Seite) gewaltig gewesen. Im Kalten Krieg wurde mit noch höheren Verlusten bei der motorisierten Infanterie (DDR: Mot.-Schützen) kalkuliert. Dafür brauchte man "Kanonenfutter".
Ist wirklich gut, dass Simon nun keine Blechmarke (Erkennungsmarke) bekommt, die früher sehr wohl bedeutete, dass der Tod "für unser sozialistisches Vaterland" in das Leben der jungen Männer schon eingepreist war.
Jeden Mittwoch Mittag heulten überall im Land die Sirenen. Das erinnerte an Luftangriffe, die viele noch "gut" im Gedächtnis hatten. Wir lebten in Städten mit riesigen Freiflächen, deren Bebauung im Krieg zerstört worden war. Der Wiederaufbau ging in der DDR nur langsam voran. Jedes Haus, jeder Plattenbau hatte einen Luftschutzkeller. ?Tiefflüge von Abfangjägern mit Überschall über bewohntes Gebiet waren nicht so ganz selten. Wer mit dem Zug unterwegs war, begegnete Zügen, die Panzer und Geschütze transportierten.
Auf die optimale Ernährung der Soldaten wurde früher eher nicht geachtet. Wer was nicht vertrug, aß es nicht oder nur wenig davon.
Wirklich gut, dass sich die Zeiten in Europa geändert haben.
Muss Simon nun eigentlich Zivildienst leisten oder entfällt das auch?
Bolek
das ist ja schön für euch Wie sehr sich doch die Zeiten geändert haben! Ich kann mich noch gut an den Kalten Krieg erinnern, hab ihn auf der Ostblockseite erlebt. Dort wäre Simon ganz sicher nicht ausgemustert worden.
Und die Bundeswehr hatte damals auch noch einen höheren Personalbedarf.
In meiner Heimatstadt gab es eine sowjetische Kaserne. Als Kind habe ich fast jeden Tag einfache sowjetische Soldaten gesehen und fand immer, dass sie irgendwie nicht glücklich aussahen. Wer weiß, wie viele Allergiker unter ihnen waren? Natürlich weiß es niemand. Eine Uli-mäßige Allergiediagnostik gab es nicht.
In der DDR war es relativ einfach, für Kinder mit schwacher Konstitution und unklaren Krankheitsbeschwerden eine Kur zur allgemeinen Kräftigung zu bekommen. Zum Beispiel im Thüringer Wald. Ein Detail, was viele hier im Forum sicher "erfreuen" dürfte: In der Kur wurde auf eine gute Ernährung geachtet. Deshalb zum Abendbrot eine normierte Portion Butter ;D. Die reichte für mehrere Schnitten. Wollte das Kind nur ein einziges Schnittchen essen, musste es sich den ganzen "Butterberg" auf dieses eine Schnittchen schmieren. Denn die vorgeschriebene Menge Butter musste aufgegessen werden, egal was und wie viel das Kind sonst noch aß.
Hatte die Butterkur nichts gefruchtet, so war es für den Schularzt noch relativ einfach, einen Jungen von schwacher Konstitution von der vormilitärischen Ausbildung freizustellen. Der musste dann das Zivilverteidigungsprogramm der Mädchen mitmachen. War auch kein Spaß. Zum Beispiel: Gasmaske aufsetzen, um festzustellen, dass man unter dem ollen, stinkenden Gummiding erst recht erstickt.
In der Schulzeit gab es immer noch die Hoffnung, dass sich die schwache Konstitution mit der Zeit noch "auswächst". Dazu wurden von der Schulküche - Mittag gegessen wurde in der DDR in der Schule - reichlich Hülsenfrüchte :o 8) zugefüttert. Bohnen - Erbsen - Linsen. Interessanterweise hielt sich die Begeisterung der sozialistischen Jugend insbesondere für Bohneneintöpfe sehr in Grenzen.
Die Alten, die Notzeiten im und nach dem Krieg erlebt hatten, meinten, "die Jugend von heute" sei zu sehr verwöhnt und wisse nicht, was gut ist, wenn sie die Eintöpfe verschmähe. Das klang wirklich sehr plausibel. Erst hier im Forum habe ich gelernt, dass Hülsenfrüchte besonderes allergenes Potenzial haben.
Was die Kinder auf dem Teller ließen, kam der Schweinemast zugute. Die Essensreste wurden im Speisesaal in militärgrünen Kübeln gesammelt, bohnengrünen Kübeln. Gab es Bohnen, wurden die Kübel randvoll. So gelang die Schweinemast manchmal besser als die "Kindermast".
Dann kam die Musterung. Der Knabe, der von allen vormilitärischen Programmen befreit worden war und im Sportunterricht beim Handgranatenweitwurf Leistungen erzielte, mit denen er im Ernstfall als Selbstmordattentäter eingestuft worden wäre, wurde natürlich für tauglich befunden, und zwar für fast alle Verwendungszwecke außer Jagdflieger.
Dafür gab es zwei gute Gründe. Zum einen war auch der ungeeignetste Mann noch für die Militärstatistik gut genug.
Statistik = Abschreckungspotenzial
Zum anderen wurde für den Ernstfall mit riesigen Verlustzahlen gerechnet. Auch der "kränkeste Allergiker" eignete sich noch, um totgeschossen zu werden. Die Verluste bei den Mannschaften der Infanterie waren im Zweiten Weltkrieg (besonders auf der sowjetischen Seite) gewaltig gewesen. Im Kalten Krieg wurde mit noch höheren Verlusten bei der motorisierten Infanterie (DDR: Mot.-Schützen) kalkuliert. Dafür brauchte man "Kanonenfutter".
Ist wirklich gut, dass Simon nun keine Blechmarke (Erkennungsmarke) bekommt, die früher sehr wohl bedeutete, dass der Tod "für unser sozialistisches Vaterland" in das Leben der jungen Männer schon eingepreist war.
Jeden Mittwoch Mittag heulten überall im Land die Sirenen. Das erinnerte an Luftangriffe, die viele noch "gut" im Gedächtnis hatten. Wir lebten in Städten mit riesigen Freiflächen, deren Bebauung im Krieg zerstört worden war. Der Wiederaufbau ging in der DDR nur langsam voran. Jedes Haus, jeder Plattenbau hatte einen Luftschutzkeller. ?Tiefflüge von Abfangjägern mit Überschall über bewohntes Gebiet waren nicht so ganz selten. Wer mit dem Zug unterwegs war, begegnete Zügen, die Panzer und Geschütze transportierten.
Auf die optimale Ernährung der Soldaten wurde früher eher nicht geachtet. Wer was nicht vertrug, aß es nicht oder nur wenig davon.
Wirklich gut, dass sich die Zeiten in Europa geändert haben.
Muss Simon nun eigentlich Zivildienst leisten oder entfällt das auch?
Bolek