24.10.2004, 12:45
Hallo Martin,
genau! Wer zu zufrieden ist strebt nicht nach vorne. Und aus persönlicher, alltagsempirischer Anschauung, gleich ob an der Uni, in der Politik oder im Unternehmen, kann man doch sehen, dass eine gewisse Profilneurose zumindest nicht schadet fürs Vorwärtskommen... :viking: :viking: :viking:
Gestern hab' ich beim googlen dazu auch folgenden Text gefunden (insgesamt mit großer Vorsicht zu genießen, 1931 entstanden! aber die Passage hat was).
Exkurs über den Wert der Krankheit. Aus Kulturgeschichte der Neuzeit. Egon Friedell (1931).
In diese Reihe lässt sich heute unter anderem auch Willy Brandt einreihen, der zwar großer Charismatiker, sobald das Auge der Öffentlichketi auf ihm ruhte, aber an sich, sobald unbeobachtet laut Zeitzeugen in sich gekehrt und still ja mit richtiggehend depressiven Anfällen, die ihn manchmal auch drei Tage im Bett verharren ließen, in denen er dann einfach nicht im Kanzleramt erschien ... sowas könnte man heute nicht mehr bringen, die Medien kennen ja kein Tabu mehr...
Also wir sind sensibel genug, auf Milch zu reagieren und haben desswegen weniger Wahrscheinlichkeit an Krebs zu sterben ... :viking: :viking: :viking:
Insgesamt in diesen Kontext passt auch das Folgende (wenn wir schon in historische Genealogien der Krankheit abdriften)
Die Ursprünge der Landwirtschaft. Eine biologische Sichtweise und eine neue Hypothese. Greg Wadley & Angus Martin, 1993 Australian Biologist No.6 p. 96–105.
'gereizte' Grüße :viking:
Sascha
genau! Wer zu zufrieden ist strebt nicht nach vorne. Und aus persönlicher, alltagsempirischer Anschauung, gleich ob an der Uni, in der Politik oder im Unternehmen, kann man doch sehen, dass eine gewisse Profilneurose zumindest nicht schadet fürs Vorwärtskommen... :viking: :viking: :viking:
Gestern hab' ich beim googlen dazu auch folgenden Text gefunden (insgesamt mit großer Vorsicht zu genießen, 1931 entstanden! aber die Passage hat was).
Exkurs über den Wert der Krankheit. Aus Kulturgeschichte der Neuzeit. Egon Friedell (1931).
Zitat:Die Tragfähigkeit unseres Systems reicht jedoch noch weiter. Wir haben nämlich bisher eine wichtige Folgeerscheinung der Minderwertigkeit noch gar nicht berücksichtigt: die Kompensation. [...], des Genies [...] von ihren Artgenossen dadurch unterscheidet, daß sie schöpferisch ist, daß sie dem Gerücht, von dem die Masse lebt, eine Tatsache gegenüberstellt: nämlich die Tatsache ihres eigenen Ichs, das ein treibender Fruchtboden, ein kochender Lebensherd, eine machtvolle Wirklichkeit ist. [...]
Es wird darin, [...] der Nachweis geführt, daß zwischen der Konstitution des genialen und des wahnsinnigen Menschen eine tiefe Verwandtschaft besteht. [...]
Tasso und Poe, Lenau und Hölderlin, Nietzsche und Maupassant, Hugo Wolf und van Gogh wurden irrsinnig; Julius Cäsar und Napoleon, Paulus und Mohamrned waren Epileptiker, wahrscheinlich auch Alexander der Große und sein Vater Philipp (denn die Epilepsie scheint in dieser Familie hereditär, gewissermaßen die ,,Temenidenkrankheit\" gewesen zu sein); Rousseau und Schopenhauer, Strindberg und Altenberg litten an Verfolgungswahn.
[...] So gilt zum Beispiel Bismarck in der landläufigen Anschauung als das Urbild eines kraftstrotzenden, kerngesunden Landjunkers, als der Typus gesammelter Kraft und seelischer Widerstandsfähigkeit. In Wirklichkeit aber war er ein schwerer Neurastheniker, dessen Leben in fortwährenden Krisen verlief, der ungemein leicht in Weinkrämpfe verfiel und bei dem sich psychische Alterationen regelmäßig in körperliche Krankheitszustände: Migräne, Gesichtsneuralgien, schwere Kopfschmerzen umzusetzen pflegten.
In diese Reihe lässt sich heute unter anderem auch Willy Brandt einreihen, der zwar großer Charismatiker, sobald das Auge der Öffentlichketi auf ihm ruhte, aber an sich, sobald unbeobachtet laut Zeitzeugen in sich gekehrt und still ja mit richtiggehend depressiven Anfällen, die ihn manchmal auch drei Tage im Bett verharren ließen, in denen er dann einfach nicht im Kanzleramt erschien ... sowas könnte man heute nicht mehr bringen, die Medien kennen ja kein Tabu mehr...
Zitat: Nur ein ganz degenerierter Affe kann auf die Idee gekommen sein, aufrecht zu schreiten und nicht mehr bequem auf allen vieren zu gehen; nur ganz \"minderwertige\" Affenmenschen, die offenbar nicht mehr genug Kraft und Kühnheit besaßen, um sich durch ein System starker, drohender Gebärden zu verständigen, können zu dem Surrogat der Lautsprache gegriffen haben.
Und überhaupt alles, wodurch der Mensch sich von seinen Tierahnen unterscheidet, verdankt er dem Umstand, daß er das Stiefkind der Natur und mit sehr wenig leistungsfähigen physischen Waffen ausgerüstet ist; und so schuf er sich die Waffe des Verstandes, der sich an die Vergangenheit zurückerinnert und die Zukunft vorauserrechnet; er erfand die Wissenschaft, die lichte Ordnung ins Dasein bringt, die Kunst, die ihn über die Häßlichkeit und Feindseligkeit der Realität hinwegtröstet, die Philosophie, die seinen Leiden und Fehischlägen einen Sinn gibt: lauter Dekadenzschöpfungen!
Die ,,normalen\" Organismen und deren Organe reagieren sozusagen philiströser, konservativer auf die Reize der Außenwelt: sie geben ihnen konventionelle Antworten; die Empfangsapparate der neuen Varietät funktionieren origineller, revolutionärer, ,,charakterloser\", anpassungsfähiger: sie geben infolge ihrer feineren Empfindlichkeit für Reiznuancen individuellere Antworten.
Neue Varietäten sind nichts anderes als die unter den bisherigen Bedingungen nicht mehr lebensfähigen alten; im struggle for life siegt nicht der \"tüchtigste\", das heißt der stumpfste, roheste, gedankenloseste Organismus, wie jene Philister- und Kaufmannsphilosophie uns glauben machen will, sondern der gefährdetste, labilste, geistigste: nicht das ,,Überleben des Passendsten\" ist das auslesende Prinzip der Entwicklung, sondern das Überleben des U n p a s s e n d s t e n.
Also wir sind sensibel genug, auf Milch zu reagieren und haben desswegen weniger Wahrscheinlichkeit an Krebs zu sterben ... :viking: :viking: :viking:
Insgesamt in diesen Kontext passt auch das Folgende (wenn wir schon in historische Genealogien der Krankheit abdriften)
Die Ursprünge der Landwirtschaft. Eine biologische Sichtweise und eine neue Hypothese. Greg Wadley & Angus Martin, 1993 Australian Biologist No.6 p. 96–105.
Zitat:Wir haben Beweise verschiedener Forschungsgebiete geprüft, die zeigen, dass Getreide- und Milchprodukte drogenähnliche Eigenschaften haben, und dargelegt, wie diese Eigenschaften den Anreiz für die beginnende Einführung der Landwirtschaft gegeben haben könnten. Wir haben des weiteren überlegt, dass eine konstante Exorphinaufnahme die Verhaltensänderungen und das darauf folgende Bevölkerungswachstum der Zivilisation durch Vergrößerung der Toleranz der Menschen begünstigte und zwar bezogen auf (a) Sesshaftigkeit mit Übervölkerung, (b) Anstrengungen zugunsten nichtverwandter Personen und © das Einnehmen einer unterwürfigen Rolle innerhalb eines großen hierarchisch gegliederten Gesellschaftssystems.
'gereizte' Grüße :viking:
Womit wir es oft zu tun haben?
Mit "Leidenden, die es sich selbst nicht eingestehen wollen, was sie sind, mit Betäubten und Besinnungslosen, die nur eins fürchten: zum Bewußtsein zu kommen." (Nietzsche 1887)
Mit "Leidenden, die es sich selbst nicht eingestehen wollen, was sie sind, mit Betäubten und Besinnungslosen, die nur eins fürchten: zum Bewußtsein zu kommen." (Nietzsche 1887)