14.11.2004, 12:19
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT ONLINE 11.11.2004
M E D I Z I N
Erhöhtes Sterberisiko durch hoch dosiertes Vitamin E
BALTIMORE. Die Einnahme von Vitamin E in einer Dosierung, die in vielen Präparaten in einer einzigen Tablette enthalten ist, kann lebensgefährlich sein. Zwar drohen keine akuten Vergiftungserscheinungen. Doch die regelmäßige Einnahme von 400 IU/Tag oder mehr erhöht bei älteren Menschen langfristig das Sterberisiko, wie eine Meta-Analyse zeigt, die auf der diesjährigen Tagung der American Heart Association in New Orleans vorgestellt wurde und im Januar 2005 in den Annals of Internal Medicine erscheint. Die Studie wurde vorab online verfügbar gemacht.
In den USA dürfte die Studie großes Aufsehen erregen, denn Millionen von Amerikanern nehmen täglich Vitamine ein, häufig nach der Devise “je mehr – desto besser”. Die Kapseln enthalten typischerweise 400 oder 800 IU Vitamin E. Genaue Zahlen zur Selbstmedikation mit Vitamin E gibt es nicht. Nur die Produktionszahlen sind bekannt. Danach hat Vitamin E (als Einzelvitamin) nach Multivitaminen (die oft auch Vitamin E enthalten), B-Vitaminen und Vitamin C in den USA einen “Marktanteil” von elf Prozent.
Und das nicht ohne Grund: Vitamin E steht seit einiger Zeit in dem Ruf, besonders gesundheitsförderlich zu sein. Seine anti-oxidative Wirkung soll vor allen möglichen chronischen Krankheiten schützen, Krebs, Morbus Alzheimer und Herzerkrankungen eingeschlossen. Da spielt es kaum eine Rolle, dass die meisten klinischen Studien zu diesem Thema zu enttäuschenden Ergebnissen geführt haben. Ignoriert wurde auch, dass einige Studien nebenbei einen Trend auf eine erhöhte Sterblichkeit andeuteten.
Das war für die Epidemiologen um Edgar Miller von der Johns Hopkins Universität in Baltimore Anlass, 19 Studien mit 135 967 Teilnehmern systematisch daraufhin zu untersuchen, welchen Einfluss höhere Vitamin-E-Dosierungen auf das Sterberisiko haben.
Neun Studien hatten nur Vitamin E untersucht, bei den übrigen Studien waren Multivitamine eingesetzt worden. Die Studien waren in Nordamerika, Europa und China durchgeführt worden. Die Nachbeobachtungszeit dauerte zwischen 1,4 bis 8,2 Jahre. Die Vitamin E-Dosis betrug zwischen 16,5 IU und 2000 IU Vitamin E pro Tag.
In elf Studien hatten die Patienten Vitamin E in einer Dosis von mehr als 400 IU pro Tag eingenommen. In neun dieser Studien war die Sterblichkeit höher als im Placebo-Ast. Auch in den Studien, in denen 200 IU eingenommen worden waren, gab es einen Trend zu einer erhöhten Sterblichkeit.
Ein Grund, sich Sorgen zu machen, besteht nicht. Die Einnahme von mehr als 400 IU Vitamin E pro Tag führt nach den Berechnungen der Meta-Analyse zu 39 zusätzlichen Todesfällen auf 10 000 Anwender (95-Konfidenz-Intervall 3-74/10.000). Das ist innerhalb von fünf Jahren ein Anstieg um wenige Prozent.
Einschränkend muss hinzugefügt werden, dass die meisten Studienteilnehmer über 60 Jahre alt war, und an chronischen Krankheiten litten. Vitamine werden dagegen gern von jungen dynamischen Menschen eingenommen, die sich durch die Tabletten den entscheidenden Vorteil in ihrem kompetitiven Lebensumfeld erhoffen.
Dieser Punkt wurde auch in einer ersten Stellungnahme des Industrieverbands der Vitaminhersteller aufgegriffen, der sich “Council for Responsible Nutrition” nennt. Dieser “Rat für vernünftige Ernährung” erklärte, die Ergebnisse seien nicht auf jüngere Menschen übertragbar. Und als äußerst unvernünftig wurde der Vorschlag der Autoren bezeichnet, die obere Grenze der täglichen Aufnahme auf 400 IU zu senken. Erlaubt sind in den USA derzeit bis zu 1600 IU pro Tag, also das Vierfache des nach der Senkung der täglichen Zufuhrwerte noch möglichen Umsatzes mit diesen Präparaten.
Vitamin E ist das zweite Vitamin, für das eine schädliche Wirkung bei hoher Dosierung nachgewiesen wurde. In den 90er-Jahren war Beta-Caroten zunächst als ein vorbeugendes Mittel gegen Krebserkrankungn propagiert worden. Zwei Studien bei starken Rauchern hatten jedoch gezeigt, dass Beta-Caroten im Gegenteil das Lungenkrebsrisiko steigerte.
Die Dosierung der meisten Vitamin E-Präparate liegt weit über dem natürlichen Bedarf. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung beziffert ihn auf 12 mg für Frauen und 14 mg für Männer zwischen 25 und 51 Jahren. Dies entspricht weniger als 30 IU (1 mg entspricht 1,49 IU). Diese Menge könne problemlos über normale Lebensmittel aufgenommen werden. Supplemente seien nicht nötig. /rme
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19.11. : nochmal "fündig" geworden im EU.L.E.nSpiegel Archiv 98
Umwelttoxikologie: chercher la femme
Herbert, V: Destroying immune homeostasis in normal adults with antioxidant supplements.
American Journal of Clinical Nutrition 1997 /65/S.1901
Der Vitaminexperte Victor Herbert warnt vor Vitamin-E- und Vitamin-C-Supplementen zur Stimulierung des Immunsystems. Nach seiner Auffassung können überschießende Lymphozytenaktivitäten sowohl Krebs als auch Autoimmunerkrankungen wie rheumatoide Arthritis fördern.
So müsse geklärt werden, ob Vitamin-E-Supplemente, die hauptsächlich dl-a-Tocopherol enthalten, die Apoptose ausgedienter T-Lymphozyten verhindern. Durch diesen programmierten Zelltod werden funktionsuntüchtige Lymphozyten aus dem Verkehr gezogen. Die Verkäufer von Vitamin C, E und anderen "Immunstimulantien" sollten ihre Produkte mit dem Hinweis kennzeichnen "Vorsicht: Die Immunstimulierung durch dieses Produkt kann Ihnen schaden".
Uli
M E D I Z I N
Erhöhtes Sterberisiko durch hoch dosiertes Vitamin E
BALTIMORE. Die Einnahme von Vitamin E in einer Dosierung, die in vielen Präparaten in einer einzigen Tablette enthalten ist, kann lebensgefährlich sein. Zwar drohen keine akuten Vergiftungserscheinungen. Doch die regelmäßige Einnahme von 400 IU/Tag oder mehr erhöht bei älteren Menschen langfristig das Sterberisiko, wie eine Meta-Analyse zeigt, die auf der diesjährigen Tagung der American Heart Association in New Orleans vorgestellt wurde und im Januar 2005 in den Annals of Internal Medicine erscheint. Die Studie wurde vorab online verfügbar gemacht.
In den USA dürfte die Studie großes Aufsehen erregen, denn Millionen von Amerikanern nehmen täglich Vitamine ein, häufig nach der Devise “je mehr – desto besser”. Die Kapseln enthalten typischerweise 400 oder 800 IU Vitamin E. Genaue Zahlen zur Selbstmedikation mit Vitamin E gibt es nicht. Nur die Produktionszahlen sind bekannt. Danach hat Vitamin E (als Einzelvitamin) nach Multivitaminen (die oft auch Vitamin E enthalten), B-Vitaminen und Vitamin C in den USA einen “Marktanteil” von elf Prozent.
Und das nicht ohne Grund: Vitamin E steht seit einiger Zeit in dem Ruf, besonders gesundheitsförderlich zu sein. Seine anti-oxidative Wirkung soll vor allen möglichen chronischen Krankheiten schützen, Krebs, Morbus Alzheimer und Herzerkrankungen eingeschlossen. Da spielt es kaum eine Rolle, dass die meisten klinischen Studien zu diesem Thema zu enttäuschenden Ergebnissen geführt haben. Ignoriert wurde auch, dass einige Studien nebenbei einen Trend auf eine erhöhte Sterblichkeit andeuteten.
Das war für die Epidemiologen um Edgar Miller von der Johns Hopkins Universität in Baltimore Anlass, 19 Studien mit 135 967 Teilnehmern systematisch daraufhin zu untersuchen, welchen Einfluss höhere Vitamin-E-Dosierungen auf das Sterberisiko haben.
Neun Studien hatten nur Vitamin E untersucht, bei den übrigen Studien waren Multivitamine eingesetzt worden. Die Studien waren in Nordamerika, Europa und China durchgeführt worden. Die Nachbeobachtungszeit dauerte zwischen 1,4 bis 8,2 Jahre. Die Vitamin E-Dosis betrug zwischen 16,5 IU und 2000 IU Vitamin E pro Tag.
In elf Studien hatten die Patienten Vitamin E in einer Dosis von mehr als 400 IU pro Tag eingenommen. In neun dieser Studien war die Sterblichkeit höher als im Placebo-Ast. Auch in den Studien, in denen 200 IU eingenommen worden waren, gab es einen Trend zu einer erhöhten Sterblichkeit.
Ein Grund, sich Sorgen zu machen, besteht nicht. Die Einnahme von mehr als 400 IU Vitamin E pro Tag führt nach den Berechnungen der Meta-Analyse zu 39 zusätzlichen Todesfällen auf 10 000 Anwender (95-Konfidenz-Intervall 3-74/10.000). Das ist innerhalb von fünf Jahren ein Anstieg um wenige Prozent.
Einschränkend muss hinzugefügt werden, dass die meisten Studienteilnehmer über 60 Jahre alt war, und an chronischen Krankheiten litten. Vitamine werden dagegen gern von jungen dynamischen Menschen eingenommen, die sich durch die Tabletten den entscheidenden Vorteil in ihrem kompetitiven Lebensumfeld erhoffen.
Dieser Punkt wurde auch in einer ersten Stellungnahme des Industrieverbands der Vitaminhersteller aufgegriffen, der sich “Council for Responsible Nutrition” nennt. Dieser “Rat für vernünftige Ernährung” erklärte, die Ergebnisse seien nicht auf jüngere Menschen übertragbar. Und als äußerst unvernünftig wurde der Vorschlag der Autoren bezeichnet, die obere Grenze der täglichen Aufnahme auf 400 IU zu senken. Erlaubt sind in den USA derzeit bis zu 1600 IU pro Tag, also das Vierfache des nach der Senkung der täglichen Zufuhrwerte noch möglichen Umsatzes mit diesen Präparaten.
Vitamin E ist das zweite Vitamin, für das eine schädliche Wirkung bei hoher Dosierung nachgewiesen wurde. In den 90er-Jahren war Beta-Caroten zunächst als ein vorbeugendes Mittel gegen Krebserkrankungn propagiert worden. Zwei Studien bei starken Rauchern hatten jedoch gezeigt, dass Beta-Caroten im Gegenteil das Lungenkrebsrisiko steigerte.
Die Dosierung der meisten Vitamin E-Präparate liegt weit über dem natürlichen Bedarf. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung beziffert ihn auf 12 mg für Frauen und 14 mg für Männer zwischen 25 und 51 Jahren. Dies entspricht weniger als 30 IU (1 mg entspricht 1,49 IU). Diese Menge könne problemlos über normale Lebensmittel aufgenommen werden. Supplemente seien nicht nötig. /rme
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19.11. : nochmal "fündig" geworden im EU.L.E.nSpiegel Archiv 98
Umwelttoxikologie: chercher la femme
Herbert, V: Destroying immune homeostasis in normal adults with antioxidant supplements.
American Journal of Clinical Nutrition 1997 /65/S.1901
Der Vitaminexperte Victor Herbert warnt vor Vitamin-E- und Vitamin-C-Supplementen zur Stimulierung des Immunsystems. Nach seiner Auffassung können überschießende Lymphozytenaktivitäten sowohl Krebs als auch Autoimmunerkrankungen wie rheumatoide Arthritis fördern.
So müsse geklärt werden, ob Vitamin-E-Supplemente, die hauptsächlich dl-a-Tocopherol enthalten, die Apoptose ausgedienter T-Lymphozyten verhindern. Durch diesen programmierten Zelltod werden funktionsuntüchtige Lymphozyten aus dem Verkehr gezogen. Die Verkäufer von Vitamin C, E und anderen "Immunstimulantien" sollten ihre Produkte mit dem Hinweis kennzeichnen "Vorsicht: Die Immunstimulierung durch dieses Produkt kann Ihnen schaden".
Uli