06.07.2005, 19:45
M E D I Z I N
Keine präventive Wirkung von Vitamin E – ASS schützt nicht vor Krebs
BOSTON. Durch die Einnahme von Vitamin E können weder Schlaganfall noch Herzinfarkt verhindert werden. Auch eine krebspräventive Wirkung war in der Women’s Health Study nicht erkennbar, die jetzt im amerikanischen Ärzteblatt (JAMA 2005; 294: 56-65) publiziert wurde. Dort sind auch die negativen Ergebnisse der Studie zur krebspräventiven Wirkung von Acetylsalicylsäure nachzulesen (JAMA 2005; 294: 47-55).
Die Publikation stellt wohl das Ende der Hoffnungen dar, die vor allem in den USA verbreitet waren. Vitamin E gehört zu den Antioxidanzien und sollte freie Radikale im Körper abfangen, bevor diese die Atherosklerose vorantreiben. Zudem sollte es sich auch zur Krebsabwehr eignen. Ende der 90er-Jahre gaben 44 Prozent der US-Kardiologen an, dass sie regelmäßig antioxidative Supplemente einnehmen. Vitamin E war damals genauso beliebt wie Acetylsalicylsäure (ASS), für das es gewisse Hinweise auf eine kardiovaskuläre präventive Wirkung aus der Physicians Health Study gab.
Die präventive Wirkung von Vitamin E stützte sich nur auf Fall-Kontroll-Studien und Beobachtungsstudien, deren Ergebnisse in der Vergangenheit schon häufiger nicht durch randomisierte kontrollierte Studie bestätigt werden konnten. Das trifft jetzt auch für die präventive Wirkung von Vitamin E zu.
An der Women's Health Study hatten zwischen 1992 und 2004 39 876 gesunde Frauen ab 45 Jahren teilgenommen. Sie hatten über zehn Jahre täglich entweder 600 IE Vitamin E oder Placebo eingenommen. Gleichzeitig war untersucht worden, ob die Einnahme von 100 mg ASS (alle zwei Tage) eine vorbeugende Wirkung hat. Für ASS wurde eine gewisse präventive Wirkung gegen Schlaganfälle und Herzinfarkte gefunden. Vor allem für Frauen nach dem 65. Lebensjahr ist die Verordnung eine Überlegung wert, wie die bereits im März 2005 mitgeteilten Ergebnisse zeigten (NEJM 2005; 352: 1293-1304).
Für Vitamin E besteht eine derartige kardiovaskuläre präventive Wirkung nicht. Auch die krebsvorbeugende Wirkung von Vitamin E kann jetzt wohl als widerlegt gelten, wie I-Min Lee von der Harvard Universität in Boston im begleitenden Editorial (JAMA 2005; 294: 56-65) einräumt. Der Experte hat aber noch nicht alle Hoffnungen aufgegeben. Er setzt auf laufende Studien wie die Physicians' Health Study. Neue randomisierte kontrollierte Studien zu dieser Frage wird es voraussichtlich aber nicht geben.
Ebenfalls ernüchtert geben sich Eric Jacobs und Michael Thun von der American Cancer Society in Atlanta (JAMA 2005; 294: 105-106). Sie halten es für unrealistisch, dass in Zukunft ein Medikament mit einer allgemeinen krebspräventiven Wirkung gefunden würde. Für einzelne Tumoren sei dies aber weiterhin denkbar, wie die präventive Wirkung von Tamoxifen bei Frauen mit einem hohen Brustkrebsrisiko zeige.
Jacobs und Thun kommentieren auch die Ergebnisse einer weiteren Analyse der Women's Health Study. Sie befasste sich mit der postulierten krebspräventiven Wirkung von ASS. Auch hier werde auf absehbare Zeit wohl keine Substanz gefunden, die die Bedeutung erlangen könnte, welche die Statine zur Prävention von Herzinfarkten erfahren haben, meinen die Kommentatoren.
Tatsächlich zeigt die Analyse von Nancy Cook von der Harvard Universität in Boston, dass ASS Krebserkrankungen nicht vorbeugt. Dies gilt auch für Brust- und Darmkrebs, wo es in den letzten Jahren einige viel versprechende Ergebnisse aus kleineren Studie gegeben hatte. Diese werden durch die Women's Health Study – die mit Abstand größte Studie mit der längsten Laufzeit – jedoch widerlegt. Einzig eine lungenkrebspräventive Wirkung könne nicht ausgeschlossen werden, schreiben Cook und Mitarbeiter. Gefunden wurde eine tendenzielle Reduktion der Inzidenz um 22 Prozent (relatives Risiko RR 0,78; 95-Prozent-Konfidenzintervall 0,59-1,03), die aber das Signifikanzniveau verfehlte.
Knapp erreicht wurde das Signifikanzniveau für eine Reduktion der Lungenkrebssterblichkeit, die bei den Frauen, die jeden zweiten Tag ASS einnahmen, um 30 Prozent niedriger war als im Placebo-Arm (RR 0,70; 0,50-0,99). Warum aber ausgerechnet der Lungenkrebs durch ASS verhindert werden sollte, ist unklar. /rme
Links zum Thema
Abstract der Ergebnisse zu Vitamin E
http://jama.ama-assn.org/cgi/content/abs.../1/56?etoc
PDF der Ergebnisse zu ASS
http://jama.ama-assn.org/cgi/reprint/294/1/47.pdf
Pressemitteilung JAMA
http://pubs.ama-assn.org/media/2005j/0705.dtl#large
Pressemitteilung NIH
http://www.nhlbi.nih.gov/new/press/05-07-06.htm
http://www.aerzteblatt.de/v4/news/newsdr...p?id=20673
Uli
Keine präventive Wirkung von Vitamin E – ASS schützt nicht vor Krebs
BOSTON. Durch die Einnahme von Vitamin E können weder Schlaganfall noch Herzinfarkt verhindert werden. Auch eine krebspräventive Wirkung war in der Women’s Health Study nicht erkennbar, die jetzt im amerikanischen Ärzteblatt (JAMA 2005; 294: 56-65) publiziert wurde. Dort sind auch die negativen Ergebnisse der Studie zur krebspräventiven Wirkung von Acetylsalicylsäure nachzulesen (JAMA 2005; 294: 47-55).
Die Publikation stellt wohl das Ende der Hoffnungen dar, die vor allem in den USA verbreitet waren. Vitamin E gehört zu den Antioxidanzien und sollte freie Radikale im Körper abfangen, bevor diese die Atherosklerose vorantreiben. Zudem sollte es sich auch zur Krebsabwehr eignen. Ende der 90er-Jahre gaben 44 Prozent der US-Kardiologen an, dass sie regelmäßig antioxidative Supplemente einnehmen. Vitamin E war damals genauso beliebt wie Acetylsalicylsäure (ASS), für das es gewisse Hinweise auf eine kardiovaskuläre präventive Wirkung aus der Physicians Health Study gab.
Die präventive Wirkung von Vitamin E stützte sich nur auf Fall-Kontroll-Studien und Beobachtungsstudien, deren Ergebnisse in der Vergangenheit schon häufiger nicht durch randomisierte kontrollierte Studie bestätigt werden konnten. Das trifft jetzt auch für die präventive Wirkung von Vitamin E zu.
An der Women's Health Study hatten zwischen 1992 und 2004 39 876 gesunde Frauen ab 45 Jahren teilgenommen. Sie hatten über zehn Jahre täglich entweder 600 IE Vitamin E oder Placebo eingenommen. Gleichzeitig war untersucht worden, ob die Einnahme von 100 mg ASS (alle zwei Tage) eine vorbeugende Wirkung hat. Für ASS wurde eine gewisse präventive Wirkung gegen Schlaganfälle und Herzinfarkte gefunden. Vor allem für Frauen nach dem 65. Lebensjahr ist die Verordnung eine Überlegung wert, wie die bereits im März 2005 mitgeteilten Ergebnisse zeigten (NEJM 2005; 352: 1293-1304).
Für Vitamin E besteht eine derartige kardiovaskuläre präventive Wirkung nicht. Auch die krebsvorbeugende Wirkung von Vitamin E kann jetzt wohl als widerlegt gelten, wie I-Min Lee von der Harvard Universität in Boston im begleitenden Editorial (JAMA 2005; 294: 56-65) einräumt. Der Experte hat aber noch nicht alle Hoffnungen aufgegeben. Er setzt auf laufende Studien wie die Physicians' Health Study. Neue randomisierte kontrollierte Studien zu dieser Frage wird es voraussichtlich aber nicht geben.
Ebenfalls ernüchtert geben sich Eric Jacobs und Michael Thun von der American Cancer Society in Atlanta (JAMA 2005; 294: 105-106). Sie halten es für unrealistisch, dass in Zukunft ein Medikament mit einer allgemeinen krebspräventiven Wirkung gefunden würde. Für einzelne Tumoren sei dies aber weiterhin denkbar, wie die präventive Wirkung von Tamoxifen bei Frauen mit einem hohen Brustkrebsrisiko zeige.
Jacobs und Thun kommentieren auch die Ergebnisse einer weiteren Analyse der Women's Health Study. Sie befasste sich mit der postulierten krebspräventiven Wirkung von ASS. Auch hier werde auf absehbare Zeit wohl keine Substanz gefunden, die die Bedeutung erlangen könnte, welche die Statine zur Prävention von Herzinfarkten erfahren haben, meinen die Kommentatoren.
Tatsächlich zeigt die Analyse von Nancy Cook von der Harvard Universität in Boston, dass ASS Krebserkrankungen nicht vorbeugt. Dies gilt auch für Brust- und Darmkrebs, wo es in den letzten Jahren einige viel versprechende Ergebnisse aus kleineren Studie gegeben hatte. Diese werden durch die Women's Health Study – die mit Abstand größte Studie mit der längsten Laufzeit – jedoch widerlegt. Einzig eine lungenkrebspräventive Wirkung könne nicht ausgeschlossen werden, schreiben Cook und Mitarbeiter. Gefunden wurde eine tendenzielle Reduktion der Inzidenz um 22 Prozent (relatives Risiko RR 0,78; 95-Prozent-Konfidenzintervall 0,59-1,03), die aber das Signifikanzniveau verfehlte.
Knapp erreicht wurde das Signifikanzniveau für eine Reduktion der Lungenkrebssterblichkeit, die bei den Frauen, die jeden zweiten Tag ASS einnahmen, um 30 Prozent niedriger war als im Placebo-Arm (RR 0,70; 0,50-0,99). Warum aber ausgerechnet der Lungenkrebs durch ASS verhindert werden sollte, ist unklar. /rme
Links zum Thema
Abstract der Ergebnisse zu Vitamin E
http://jama.ama-assn.org/cgi/content/abs.../1/56?etoc
PDF der Ergebnisse zu ASS
http://jama.ama-assn.org/cgi/reprint/294/1/47.pdf
Pressemitteilung JAMA
http://pubs.ama-assn.org/media/2005j/0705.dtl#large
Pressemitteilung NIH
http://www.nhlbi.nih.gov/new/press/05-07-06.htm
http://www.aerzteblatt.de/v4/news/newsdr...p?id=20673
Uli