09.03.2005, 15:03
Diabetes: Die Molke macht's
von Udo Pollmer
Am Anfang sah alles ganz einfach aus: Stillen schützt vor Diabetes. Je länger gestillt wird, desto seltener tritt die Krankheit auf, wie Studien rund um den Globus zeigten. Demnach müßte unter den zahlreichen Schutzfaktoren der Muttermilch auch einer gegen Diabetes aufzuspüren sein. Aber: Fehlanzeige. Inzwischen ist klar: Es liegt nicht an der Muttermilch, sondern an der Ersatznahrung.
Verwechslung im Immunsystem
Die Ergebnisse der Arbeitsgruppe des Finnen Karjalainen waren in der Sache eindeutig: Ein bestimmter Teil des Molkeneiweißes der Kuhmilch ähnelt einem Eiweißbestandteil der Bauchspeicheldrüse, die das Insulin produziert. Da die Eiweißpartikel der Molke problemlos durch die Darmwand des Säuglings schlüpfen (Persorption), muß sie der Körper als "fremd" erkennen und unschädlich machen. Wegen der Ähnlichkeit der beiden Eiweiße greifen die so trainierten Zellen des Immunsystems nun aber auch die Bauchspeicheldrüse an und zerstören die insulinproduzierenden Zellen. Je früher und je mehr Molkeneiweiß der Säugling aufnimmt, desto eher kann Diabetes auftreten. Ist die Abwehr einmal programmiert, löst möglicherweise jede Molkenaufnahme einen Angriff auf die Bauchspeicheldrüse aus.
Natürlich ist das Bild stark vereinfacht - und sollte nicht zum voreiligen Schluß verleiten, den Kuhmilchkonsum als solchen zu verdammen. Auch die Beobachtung, daß milchfrei ernährte Versuchstiere selten zuckerkrank werden, sollte als klarer Hinweis auf das Problem, aber nicht als "Verbrauchertip" aufgefaßt werden.
Angepasst?
Adaptierte Babynahrung enthält doppelt soviel Molke wie gewöhnliche Milch, da ihr Molkepulver zugesetzt wird. Das hat einen denkbar einfachen, sprich wirtschaftlichen Grund: Während Muttermilch 40 Prozent Molkeneiweiß enthält, sind es in der Kuhmilch nur 20 Prozent. Was lag also näher, als die Ersatznahrung auf Kuhmilchbasis mit dem spottbilligen Molkenpulver zu strecken und das Ganze als "Adaptation" an das natürliche Vorbild auszugeben.
Molke - allgegenwärtig
Dem technologischen Fortschritt verdanken wir, daß die Molke inzwischen zum beinahe unverzichtbaren Bestandteil zahlreicher Fertigprodukte avancierte. Mit modernen Membrantrennverfahren wurde es möglich, das Molkeneiweiß aus der Milch herauszufiltern, in seine Bestandteile zu zerlegen, zu modifizieren und einzelne Komponenten hochdosiert unseren Lebensmitteln zuzusetzen. Durch geschicktes Manipulieren bei der Herstellung lassen sich aus Molke "funktionale Additive" schneidern, die Zusatzstoffe mit "anrüchigen" E-Nummern ersetzen sollen. So bleibt das Etikett "sauber". Darüber hinaus kann die teure Milch in vielen Rezepturen durch Molkenproteine ersetzt werden.
In der Vergangenheit wurde die Molke allenfalls in Notzeiten oder zu diätetischen Zwecken konsumiert. Man mag sich fragen, warum die Menschheit dieses wertvolle tierische Eiweiß lieber als Futtermittel verwendete, wo doch sonst praktisch alle Bestandteile der Tiere verspeist wurden, angefangen von den Knorpeln in Form von Gelatine bis zum Gedärm als Wursthülle. So genial der technologische Durchbruch hier auch gewesen sein mag: Vielleicht haben frühere Generationen die Molke nicht mangels Technik "verworfen", sondern aufgrund unerfreulicher gesundheitlicher Erfahrungen.
http://www.das-eule.de/3996.html
Uli
von Udo Pollmer
Am Anfang sah alles ganz einfach aus: Stillen schützt vor Diabetes. Je länger gestillt wird, desto seltener tritt die Krankheit auf, wie Studien rund um den Globus zeigten. Demnach müßte unter den zahlreichen Schutzfaktoren der Muttermilch auch einer gegen Diabetes aufzuspüren sein. Aber: Fehlanzeige. Inzwischen ist klar: Es liegt nicht an der Muttermilch, sondern an der Ersatznahrung.
Verwechslung im Immunsystem
Die Ergebnisse der Arbeitsgruppe des Finnen Karjalainen waren in der Sache eindeutig: Ein bestimmter Teil des Molkeneiweißes der Kuhmilch ähnelt einem Eiweißbestandteil der Bauchspeicheldrüse, die das Insulin produziert. Da die Eiweißpartikel der Molke problemlos durch die Darmwand des Säuglings schlüpfen (Persorption), muß sie der Körper als "fremd" erkennen und unschädlich machen. Wegen der Ähnlichkeit der beiden Eiweiße greifen die so trainierten Zellen des Immunsystems nun aber auch die Bauchspeicheldrüse an und zerstören die insulinproduzierenden Zellen. Je früher und je mehr Molkeneiweiß der Säugling aufnimmt, desto eher kann Diabetes auftreten. Ist die Abwehr einmal programmiert, löst möglicherweise jede Molkenaufnahme einen Angriff auf die Bauchspeicheldrüse aus.
Natürlich ist das Bild stark vereinfacht - und sollte nicht zum voreiligen Schluß verleiten, den Kuhmilchkonsum als solchen zu verdammen. Auch die Beobachtung, daß milchfrei ernährte Versuchstiere selten zuckerkrank werden, sollte als klarer Hinweis auf das Problem, aber nicht als "Verbrauchertip" aufgefaßt werden.
Angepasst?
Adaptierte Babynahrung enthält doppelt soviel Molke wie gewöhnliche Milch, da ihr Molkepulver zugesetzt wird. Das hat einen denkbar einfachen, sprich wirtschaftlichen Grund: Während Muttermilch 40 Prozent Molkeneiweiß enthält, sind es in der Kuhmilch nur 20 Prozent. Was lag also näher, als die Ersatznahrung auf Kuhmilchbasis mit dem spottbilligen Molkenpulver zu strecken und das Ganze als "Adaptation" an das natürliche Vorbild auszugeben.
Molke - allgegenwärtig
Dem technologischen Fortschritt verdanken wir, daß die Molke inzwischen zum beinahe unverzichtbaren Bestandteil zahlreicher Fertigprodukte avancierte. Mit modernen Membrantrennverfahren wurde es möglich, das Molkeneiweiß aus der Milch herauszufiltern, in seine Bestandteile zu zerlegen, zu modifizieren und einzelne Komponenten hochdosiert unseren Lebensmitteln zuzusetzen. Durch geschicktes Manipulieren bei der Herstellung lassen sich aus Molke "funktionale Additive" schneidern, die Zusatzstoffe mit "anrüchigen" E-Nummern ersetzen sollen. So bleibt das Etikett "sauber". Darüber hinaus kann die teure Milch in vielen Rezepturen durch Molkenproteine ersetzt werden.
In der Vergangenheit wurde die Molke allenfalls in Notzeiten oder zu diätetischen Zwecken konsumiert. Man mag sich fragen, warum die Menschheit dieses wertvolle tierische Eiweiß lieber als Futtermittel verwendete, wo doch sonst praktisch alle Bestandteile der Tiere verspeist wurden, angefangen von den Knorpeln in Form von Gelatine bis zum Gedärm als Wursthülle. So genial der technologische Durchbruch hier auch gewesen sein mag: Vielleicht haben frühere Generationen die Molke nicht mangels Technik "verworfen", sondern aufgrund unerfreulicher gesundheitlicher Erfahrungen.
http://www.das-eule.de/3996.html
Uli