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Milch und Diabetes
#1
Diabetes: Die Molke macht's
von Udo Pollmer

Am Anfang sah alles ganz einfach aus: Stillen schützt vor Diabetes. Je länger gestillt wird, desto seltener tritt die Krankheit auf, wie Studien rund um den Globus zeigten. Demnach müßte unter den zahlreichen Schutzfaktoren der Muttermilch auch einer gegen Diabetes aufzuspüren sein. Aber: Fehlanzeige. Inzwischen ist klar: Es liegt nicht an der Muttermilch, sondern an der Ersatznahrung.

Verwechslung im Immunsystem

Die Ergebnisse der Arbeitsgruppe des Finnen Karjalainen waren in der Sache eindeutig: Ein bestimmter Teil des Molkeneiweißes der Kuhmilch ähnelt einem Eiweißbestandteil der Bauchspeicheldrüse, die das Insulin produziert. Da die Eiweißpartikel der Molke problemlos durch die Darmwand des Säuglings schlüpfen (Persorption), muß sie der Körper als "fremd" erkennen und unschädlich machen. Wegen der Ähnlichkeit der beiden Eiweiße greifen die so trainierten Zellen des Immunsystems nun aber auch die Bauchspeicheldrüse an und zerstören die insulinproduzierenden Zellen. Je früher und je mehr Molkeneiweiß der Säugling aufnimmt, desto eher kann Diabetes auftreten. Ist die Abwehr einmal programmiert, löst möglicherweise jede Molkenaufnahme einen Angriff auf die Bauchspeicheldrüse aus.
Natürlich ist das Bild stark vereinfacht - und sollte nicht zum voreiligen Schluß verleiten, den Kuhmilchkonsum als solchen zu verdammen. Auch die Beobachtung, daß milchfrei ernährte Versuchstiere selten zuckerkrank werden, sollte als klarer Hinweis auf das Problem, aber nicht als "Verbrauchertip" aufgefaßt werden.

Angepasst?

Adaptierte Babynahrung enthält doppelt soviel Molke wie gewöhnliche Milch, da ihr Molkepulver zugesetzt wird. Das hat einen denkbar einfachen, sprich wirtschaftlichen Grund: Während Muttermilch 40 Prozent Molkeneiweiß enthält, sind es in der Kuhmilch nur 20 Prozent. Was lag also näher, als die Ersatznahrung auf Kuhmilchbasis mit dem spottbilligen Molkenpulver zu strecken und das Ganze als "Adaptation" an das natürliche Vorbild auszugeben.

Molke - allgegenwärtig

Dem technologischen Fortschritt verdanken wir, daß die Molke inzwischen zum beinahe unverzichtbaren Bestandteil zahlreicher Fertigprodukte avancierte. Mit modernen Membrantrennverfahren wurde es möglich, das Molkeneiweiß aus der Milch herauszufiltern, in seine Bestandteile zu zerlegen, zu modifizieren und einzelne Komponenten hochdosiert unseren Lebensmitteln zuzusetzen. Durch geschicktes Manipulieren bei der Herstellung lassen sich aus Molke "funktionale Additive" schneidern, die Zusatzstoffe mit "anrüchigen" E-Nummern ersetzen sollen. So bleibt das Etikett "sauber". Darüber hinaus kann die teure Milch in vielen Rezepturen durch Molkenproteine ersetzt werden.
In der Vergangenheit wurde die Molke allenfalls in Notzeiten oder zu diätetischen Zwecken konsumiert. Man mag sich fragen, warum die Menschheit dieses wertvolle tierische Eiweiß lieber als Futtermittel verwendete, wo doch sonst praktisch alle Bestandteile der Tiere verspeist wurden, angefangen von den Knorpeln in Form von Gelatine bis zum Gedärm als Wursthülle. So genial der technologische Durchbruch hier auch gewesen sein mag: Vielleicht haben frühere Generationen die Molke nicht mangels Technik "verworfen", sondern aufgrund unerfreulicher gesundheitlicher Erfahrungen.
http://www.das-eule.de/3996.html

Uli
Antworten
#2
Eine kleine „Auswahl“ an Publikationen, die sich mit dem Zusammenhang Milch -> Diabetes. mell. Typ I befassen.......
Man findet sehr viele Studien aus Finnland , denn in Finnland ist Diabetes mellitus Typ I ein sehr großes Problem!


1) Diabetes Res 1988 Mar ;7(3):137-40
Children with newly diagnosed insulin dependent diabetes mellitus have increased levels of cow`s milk antibodies.
Savilahti E., Akerblom HK, Taino VM, Koskimies S.
Children`s Hospital, Universitiy of Helsinki, Finnland

We studied antibodies to cow`s milk, beta-lactoglobulin and gliadin with enzyme-linked immunosorbent assay in the sera of 91 children with insulin dependent diabetes mellitus ( IDDM); 36 of them were newly diagnosed. The children with newly diagnosed IDDM had significantly higher levels of IgA antibodies to cow`s milk and to beta-lactoglobulin , and IgG antibodies to beta-lactoglobulin than 100 age-matched controls. We infer that either the pattern of cow`s milk consumption is altered in children who will have IDDM, or their immunological reactivity to proteins in cow`s milk is enhanced, or the permeabilitiy of their intestines to cow`s milk is higher than normal.
PMID:3416556-PubMed- indexed for MEDLINE

Hier werden 91 Kinder mit Diabetes untersucht, 36 von ihnen“ frisch“ diagnostiziert.
Die neu diagnostizierten Kinder hatten signifikant höhere IgA-Antikörper gegen Kuhmilch und gegen Beta-Lactoglubulin, ebenso IgG-Antikörper gegen Beta-Lactoglobulin als 100 Kontrollpersonen gleichen Alters. Die Ärzte folgern daraus, dass sich entweder der Milchkonsum verändert hat oder sich die immunologischen Antworten auf die Proteine der Kuhmilch erhöht haben oder die Permeabilität der Darmschleimhaut für Kuhmilch ist höher als normal.
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/entrez/query...t=Abstract
*****

2)
Diabetologia. 1998 Jan ;41(1):72-8.

Significance of cow's milk protein antibodies as risk factor for childhood IDDM: interactions with dietary cow's milk intake and HLA-DQB1 genotype. Childhood Diabetes in Finland Study Group.

Saukkonen T, Virtanen SM, Karppinen M, Reijonen H, Ilonen J, Rasanen L, Akerblom HK, Savilahti E.

Children's Hospital, University of Helsinki, Finland.

Dietary factors are suspected to play an aetiological role in the development of insulin-dependent diabetes mellitus (IDDM). We analysed cow's milk formula, betalactoglobulin, and bovine serum albumin antibodies by an enzyme-linked immunoassay in unselected children with newly diagnosed IDDM and in their non-diabetic siblings and inquired about infant feeding practices by questionnaire. Among 410 diabetic sibling pairs matched for age and sex, by logistic regression analysis - including overall duration of breast-feeding, age at introduction of dairy products, recent consumption of cow's milk and HLA-DQB1 genotype ("high/moderate" vs "low/decreased" risk of IDDM) - [B]bovine serum albumin IgG antibody levels [/B] (OR 2.12, 95% CI 1.25-3.57) and genetic risk (OR 3.81, 95% CI 2.43-5.17) were positively associated with IDDM; cow's milk formula IgM antibodies were inversely associated with the risk of IDDM (OR 0.50, 95% CI 0.29-0.87). Of the diabetic sibling pairs, 42 were identical for HLA-DQB1 alleles associated with IDDM risk or protection (DQB1*0201, *0301, *0302 and *0602/03). In these 42 pairs, children with IDDM had higher median levels of bovine serum albumin IgG, of betalactoglobulin IgG, and of cow's milk formula IgG and IgA antibodies than the non-diabetic siblings (p < 0.05). In conclusion, children with IDDM have higher levels of cow's milk protein antibodies than their HLA-DQB1-matched sibling controls, and these high levels of antibodies are independent risk markers for IDDM. PMID: 9498633 [PubMed - indexed for MEDLINE]

Hier wurden Zwillinge untersucht- mit und ohne Diabetes ( Typ I = insulinpflichtiger).
Dabei stellte sich ein positiver Zusammenhang von genetischen Risikofaktoren und IgG-Antikörpern auf das bovine Serumalbumin der Kuhmilch heraus. Dieses hohe Niveau an IgG-Antikörpern war ein Risikofaktor, Diabetes I zu entwickeln- unabhängig von anderen Faktoren.

http://www.ncbi.nlm.nih.gov/entrez/query...ds=9498633
*****

3) Cow's milk and type I diabetes: the gut immune system deserves attention
Hubert Kolb and Paolo Pozzilli
Immunology Today
Volume 20, Issue 3, 1 March 1999 , Pages 108-110
http://dx.doi.org/10.1016/S0167-5699(98)01425-X
Trends
Cow's milk and type I diabetes: the gut immune system deserves attention
Abstract
Early introduction of cow's milk-based infant formula might be a major environmental factor in the development of immune-mediated (type 1) diabetes in humans. A recent meeting* proposed a critical role for gut immune reactivity in disease pathogenesis.
Author Keywords: Type I diabetes; Cow's milk; b-casein; Gut mucosa; Diet
Hier schreiben 2 Herren ( Deutschland und Italien), dass wohl das frühe Füttern mit Kuhmilch-Baby-Formulas ein hauptsächlicher Umweltfaktor zur Entstehung von Diabetes I sein könnte.
*****

Und um im Lande zu bleiben : auch hier hat man sich Gedanken hierzu gemacht:
Milch und Diabetes:

1998 Dissertation Silvia Seebaum > Wertigkeit von A1- und A2- Antikörpern gegen Beta-Casein beim Typ I-Diabetes mellitus
http://bibd.uni-giessen.de/ghtm/1998/uni/d980009a.htm
*****
Und zuletzt möchte ich an die Publikation aus 2004 erinnern :
]PMID: 15120758 [PubMed - indexed for MEDLINE]
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/entrez/query...p;dopt=Abstract


Als Ergebnis dieser Studie kann angenommen werden, dass eine Atopie / Allergie auf Kuhmilch zu einem sehr frühen Zeitpunkt das Risiko , später an einer Autoimmunerkrankungen zu erkranken, erhöht. Beide Erkrankungsbilder scheinen einen ähnlichen immunologischen Auslöser zu haben, was durch weitere Studien bestätigt werden soll .

*****

Auch wenn es mehr „Gegenstudien“ gibt und sich darum gestritten wird, wer nun Recht hat, so möge man doch immer daran denken, dass sehr wohl ein Zusammenhang besteht – man könnte dadurch einigen Patienten das Leben unendlich erleichtern!
So z.B. einem kleinen Patienten mit sogar nachgewiesener IgE-vermittelter Milchallergie, dem man als „Zwischenmahlzeit“ Actimel & Co empfiehlt! Oder, wie es allgemein gehandhabt wird, Diabetikern Magermilch-/Lightprodukte zu empfehlen!

Uli
Antworten


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