17.08.2004, 11:49
Milchzucker macht Beschwerden
von Elisabeth Rechenberg, Ratingen, und Wolfram F. A. Rechenberg, Gießen
Hinter Durchfällen mit Blähungen und Krämpfen kann sich eine Laktose-Intoleranz verbergen. Die Patienten können keinen Milchzucker verdauen, weil ihre Dünndarmepithelzellen keine Laktase bilden. Dadurch erreicht Laktose den Dickdarm, ein Festmahl für Bakterien, die durch Fermentationsprozesse dann die gesamte Darmfunktion durcheinanderbringen.
Beim Laktosemalabsorbtionssyndrom handelt es sich um eine Milchzuckerunverträglichkeit, häufig auch kurz als Laktose-Intoleranz bezeichnet. Die Laktose-Intoleranz beruht auf dem Fehlen des Enzyms Laktase, für dessen Bildung ein Gen auf dem Chromosom 2 verantwortlich ist . Dieses Gen bestimmt den Zeitpunkt, zu dem der Mensch keine Laktase mehr produziert. Je nach ethnischer Zugehörigkeit kann das früher oder später der Fall sein. In früheren Zeiten der Entwicklungsgeschichte verlor der Mensch wie alle anderen Säugetiere das Enzym stets dann, wenn er nicht mehr von der Muttermilch genährt wurde. Erst unter extremen Lebensbedingungen wurde die Milch für ihn zu einem wichtigen Nahrungsmittel. So produziert der menschliche Organismus weiterhin Laktase , im Gegensatz zu allen anderen Säugetieren.
Nordeuropäer vertragen Milch
Experten gehen heute davon aus, dass 10 Prozent der Deutschen unter der Laktose-Intoleranz leiden, in Italien sind es sogar 70 Prozent der Bevölkerung, in Schweden dagegen nur 1 Prozent . In Europa gibt es ein deutliches Nord-Süd-Gefälle. Generell verlieren die Afrikaner und Asiaten die Laktase früher als die Europäer. So sind zum Beispiel 90 Prozent der afrikanischen Bevölkerung und alle Menschen in Thailand bereits in der Adoleszenz davon betroffen.
Innerhalb der Weltbevölkerung gibt es mehr Menschen mit Laktose-Intoleranz als mit Laktose-Toleranz . Von den über 60-jährigen Europäern haben etwa 70 Prozent darunter zu leiden. Das sind allein in Deutschland einige Millionen, wie Professor Dr. Joachim F. Erckenbrecht vom Florence-Nightingale-Krankenhaus, Düsseldorf Kaiserswerth, anlässlich eines Interviews mit dem WDR berichtete. In dessen gastroenterologischer Abteilung wussten bisher 50 Prozent der Patienten mit Laktose-Intoleranz nicht von der Ursache ihrer Beschwerden.
Wann der Laktasemangel einsetzt, ist genetisch vorgegeben. Zuweilen kommen Menschen schon mit einem angeborenen Laktasemangel zur Welt. Außerdem gibt es Erkrankungen wie zum Beispiel Morbus Crohn oder Rotavirusinfektionen, bei denen der Laktasemangel als Sekundärerscheinung auftritt. Es handelt sich dabei um eine erworbene Laktose-Intoleranz, die nach Behandlung der ursprünglichen Erkrankung verschwindet. Am häufigsten ist allerdings der im Laufe des Lebens auftretende Laktaseverlust ohne erkennbare äußere Ursache.
Nahrung für Bakterien
Das Enzym Laktase wird normalerweise im Bürstensaum der Dünndarmepithelien produziert und spaltet Laktose in D-Glucose und D-Galactose. Nur diese Monosaccharide werden resorbiert und sind dann im Blut nachweisbar. Fehlt die Laktase, so gelangt die Laktose unresorbiert bis zum Kolon, wo die dort vorkommenden Bakterien sie zu Milchsäure, Kohlendioxid, Wasserstoff und Methan zersetzen. Die Milchsäure verschiebt den pH-Wert und übt einen starken osmotischen Druck aus. Dadurch kommt es zum Wassereinstrom in den Darm sowie zu einer verstärkten Darmperistaltik und infolgedessen zur Diarrhoe. Die gleichzeitig entstandenen Gase führen zu Blähungen oder gar zu Krämpfen. Diese Beschwerden treten 30 bis 120 Minuten nach dem Verzehr von Laktose oder laktosehaltigen Produkten auf .
Diagnostik
Für die Diagnostik der Laktose-Intoleranz wird heute am häufigsten, da einfach und aussagekräftig, der H2-Atemtest eingesetzt. Dazu trinkt der Patient eine Lösung von 50 g Laktose in Wasser. Der anschließend ausgeatmete Wasserstoff wird gaschromatographisch über vier Stunden wiederholt gemessen. Auf diese Weise erhält man nicht nur eine qualitative, sondern auch eine quantitative Aussage über den Laktasemangel.
Therapie
Die Laktose-Intoleranz wird inzwischen als Krankheit angesehen. Sie ist bislang nur symptomatisch zu behandeln. Zwar gibt es in den USA bereits vielversprechende Ergebnisse gentherapeutischer Versuche an Ratten. Bis zum Einsatz beim Menschen werden aber noch Jahre vergehen. Einstweilen bleibt nur die Möglichkeit der laufenden oralen Laktasezufuhr beim Genuss von milchzuckerhaltigen Produkten. Milchzuckerhaltig sind allerdings außer Milch und Milchprodukten wie zum Beispiel Käse, Sahne und Joghurt auch andere Lebensmittel wie zum Beispiel Wurst und Schinken, denen während der Herstellung Laktose zugesetzt wird. Auch viele Medikamente, insbesondere Tabletten und Kapseln, enthalten Laktose. Selbst Perenterol, ein bekanntes Durchfallmittel, gehört dazu und wird trotzdem bei Durchfällen unbekannter Genese verordnet.
Inzwischen sind jedoch einzelne Pharmahersteller wie zum Beispiel die Firma Merck dazu übergegangen, nur noch laktosefreie Pharmaka zu produzieren. Im Handel gibt es Laktase in Form von Tabletten, Kapseln und Tropfen, wobei erfahrungsgemäß der besseren Wirkung halber den Kapseln der Vorzug zu geben ist.
Die erwähnten Laktasetropfen dienen dazu, die in der Milch enthaltene Laktase vor dem Trinken innerhalb einer Einwirkzeit von 24 Stunden zu fermentieren. Derart aufbereitete Milch ist allerdings süß und weniger wohlschmeckend. Eine weitere Möglichkeit, mit einem Laktasemangel zu leben, ist die völlige Meidung milchzuckerhaltiger Produkte, eine allerdings wenig empfehlenswerte Methode, da es auf diese Weise zu einem gravierenden Calciummangel kommt und auch ein unerwünschter Gewichtsverlust eintreten kann.
Beratung
Der Offizinapotheker wird oft von Patienten mit Oberbauchbeschwerden und Durchfällen um Rat gefragt. Ist ein akuter Infekt, der je nach Schweregrad unter Umständen durch Selbstmedikation behandelt werden kann, auszuschließen, sollte der Patient unbedingt zum Arzt geschickt werden. Um dem Betroffenen vielleicht eine unangenehme Untersuchung (zum Beispiel eine Darmspiegelung) zu ersparen, sollte auf einen möglichen Laktase-Mangel und den dafür existierenden H2-Atemtest hingewiesen werden.
Eventuell kann man die Patienten auch darauf aufmerksam machen, dass sie durch Beobachten des Zeitpunktes, zu dem die Beschwerden auftreten (zum Beispiel nach dem Genuss von Milch beziehungsweise Milchprodukten) schon einen ersten Hinweis auf eine Laktose-Intoleranz erhalten können. Zuweilen vermuten die Betroffenen fälschlicherweise eine Lebensmittelallergie. Diese ist mittlerweile durch den COLAP-Test ("Colonoscopic allergen provocation"), einem Allergietest auf der Darmschleimhaut, eindeutig zu diagnostizieren .
von Elisabeth Rechenberg, Ratingen, und Wolfram F. A. Rechenberg, Gießen
Hinter Durchfällen mit Blähungen und Krämpfen kann sich eine Laktose-Intoleranz verbergen. Die Patienten können keinen Milchzucker verdauen, weil ihre Dünndarmepithelzellen keine Laktase bilden. Dadurch erreicht Laktose den Dickdarm, ein Festmahl für Bakterien, die durch Fermentationsprozesse dann die gesamte Darmfunktion durcheinanderbringen.
Beim Laktosemalabsorbtionssyndrom handelt es sich um eine Milchzuckerunverträglichkeit, häufig auch kurz als Laktose-Intoleranz bezeichnet. Die Laktose-Intoleranz beruht auf dem Fehlen des Enzyms Laktase, für dessen Bildung ein Gen auf dem Chromosom 2 verantwortlich ist . Dieses Gen bestimmt den Zeitpunkt, zu dem der Mensch keine Laktase mehr produziert. Je nach ethnischer Zugehörigkeit kann das früher oder später der Fall sein. In früheren Zeiten der Entwicklungsgeschichte verlor der Mensch wie alle anderen Säugetiere das Enzym stets dann, wenn er nicht mehr von der Muttermilch genährt wurde. Erst unter extremen Lebensbedingungen wurde die Milch für ihn zu einem wichtigen Nahrungsmittel. So produziert der menschliche Organismus weiterhin Laktase , im Gegensatz zu allen anderen Säugetieren.
Nordeuropäer vertragen Milch
Experten gehen heute davon aus, dass 10 Prozent der Deutschen unter der Laktose-Intoleranz leiden, in Italien sind es sogar 70 Prozent der Bevölkerung, in Schweden dagegen nur 1 Prozent . In Europa gibt es ein deutliches Nord-Süd-Gefälle. Generell verlieren die Afrikaner und Asiaten die Laktase früher als die Europäer. So sind zum Beispiel 90 Prozent der afrikanischen Bevölkerung und alle Menschen in Thailand bereits in der Adoleszenz davon betroffen.
Innerhalb der Weltbevölkerung gibt es mehr Menschen mit Laktose-Intoleranz als mit Laktose-Toleranz . Von den über 60-jährigen Europäern haben etwa 70 Prozent darunter zu leiden. Das sind allein in Deutschland einige Millionen, wie Professor Dr. Joachim F. Erckenbrecht vom Florence-Nightingale-Krankenhaus, Düsseldorf Kaiserswerth, anlässlich eines Interviews mit dem WDR berichtete. In dessen gastroenterologischer Abteilung wussten bisher 50 Prozent der Patienten mit Laktose-Intoleranz nicht von der Ursache ihrer Beschwerden.
Wann der Laktasemangel einsetzt, ist genetisch vorgegeben. Zuweilen kommen Menschen schon mit einem angeborenen Laktasemangel zur Welt. Außerdem gibt es Erkrankungen wie zum Beispiel Morbus Crohn oder Rotavirusinfektionen, bei denen der Laktasemangel als Sekundärerscheinung auftritt. Es handelt sich dabei um eine erworbene Laktose-Intoleranz, die nach Behandlung der ursprünglichen Erkrankung verschwindet. Am häufigsten ist allerdings der im Laufe des Lebens auftretende Laktaseverlust ohne erkennbare äußere Ursache.
Nahrung für Bakterien
Das Enzym Laktase wird normalerweise im Bürstensaum der Dünndarmepithelien produziert und spaltet Laktose in D-Glucose und D-Galactose. Nur diese Monosaccharide werden resorbiert und sind dann im Blut nachweisbar. Fehlt die Laktase, so gelangt die Laktose unresorbiert bis zum Kolon, wo die dort vorkommenden Bakterien sie zu Milchsäure, Kohlendioxid, Wasserstoff und Methan zersetzen. Die Milchsäure verschiebt den pH-Wert und übt einen starken osmotischen Druck aus. Dadurch kommt es zum Wassereinstrom in den Darm sowie zu einer verstärkten Darmperistaltik und infolgedessen zur Diarrhoe. Die gleichzeitig entstandenen Gase führen zu Blähungen oder gar zu Krämpfen. Diese Beschwerden treten 30 bis 120 Minuten nach dem Verzehr von Laktose oder laktosehaltigen Produkten auf .
Diagnostik
Für die Diagnostik der Laktose-Intoleranz wird heute am häufigsten, da einfach und aussagekräftig, der H2-Atemtest eingesetzt. Dazu trinkt der Patient eine Lösung von 50 g Laktose in Wasser. Der anschließend ausgeatmete Wasserstoff wird gaschromatographisch über vier Stunden wiederholt gemessen. Auf diese Weise erhält man nicht nur eine qualitative, sondern auch eine quantitative Aussage über den Laktasemangel.
Therapie
Die Laktose-Intoleranz wird inzwischen als Krankheit angesehen. Sie ist bislang nur symptomatisch zu behandeln. Zwar gibt es in den USA bereits vielversprechende Ergebnisse gentherapeutischer Versuche an Ratten. Bis zum Einsatz beim Menschen werden aber noch Jahre vergehen. Einstweilen bleibt nur die Möglichkeit der laufenden oralen Laktasezufuhr beim Genuss von milchzuckerhaltigen Produkten. Milchzuckerhaltig sind allerdings außer Milch und Milchprodukten wie zum Beispiel Käse, Sahne und Joghurt auch andere Lebensmittel wie zum Beispiel Wurst und Schinken, denen während der Herstellung Laktose zugesetzt wird. Auch viele Medikamente, insbesondere Tabletten und Kapseln, enthalten Laktose. Selbst Perenterol, ein bekanntes Durchfallmittel, gehört dazu und wird trotzdem bei Durchfällen unbekannter Genese verordnet.
Inzwischen sind jedoch einzelne Pharmahersteller wie zum Beispiel die Firma Merck dazu übergegangen, nur noch laktosefreie Pharmaka zu produzieren. Im Handel gibt es Laktase in Form von Tabletten, Kapseln und Tropfen, wobei erfahrungsgemäß der besseren Wirkung halber den Kapseln der Vorzug zu geben ist.
Die erwähnten Laktasetropfen dienen dazu, die in der Milch enthaltene Laktase vor dem Trinken innerhalb einer Einwirkzeit von 24 Stunden zu fermentieren. Derart aufbereitete Milch ist allerdings süß und weniger wohlschmeckend. Eine weitere Möglichkeit, mit einem Laktasemangel zu leben, ist die völlige Meidung milchzuckerhaltiger Produkte, eine allerdings wenig empfehlenswerte Methode, da es auf diese Weise zu einem gravierenden Calciummangel kommt und auch ein unerwünschter Gewichtsverlust eintreten kann.
Beratung
Der Offizinapotheker wird oft von Patienten mit Oberbauchbeschwerden und Durchfällen um Rat gefragt. Ist ein akuter Infekt, der je nach Schweregrad unter Umständen durch Selbstmedikation behandelt werden kann, auszuschließen, sollte der Patient unbedingt zum Arzt geschickt werden. Um dem Betroffenen vielleicht eine unangenehme Untersuchung (zum Beispiel eine Darmspiegelung) zu ersparen, sollte auf einen möglichen Laktase-Mangel und den dafür existierenden H2-Atemtest hingewiesen werden.
Eventuell kann man die Patienten auch darauf aufmerksam machen, dass sie durch Beobachten des Zeitpunktes, zu dem die Beschwerden auftreten (zum Beispiel nach dem Genuss von Milch beziehungsweise Milchprodukten) schon einen ersten Hinweis auf eine Laktose-Intoleranz erhalten können. Zuweilen vermuten die Betroffenen fälschlicherweise eine Lebensmittelallergie. Diese ist mittlerweile durch den COLAP-Test ("Colonoscopic allergen provocation"), einem Allergietest auf der Darmschleimhaut, eindeutig zu diagnostizieren .
Der kürzeste Weg zwischen zwei Menschen ist ein Lächeln
Adi