22.09.2004, 21:24
Dermatitis und Malabsorption
Ein Malabsorptionssyndrom, normalerweise in milder Form, ist bei Patienten mit einer Vielzahl von dermatologischen Erkrankungen einschließlich Psoriasis {Schuppenflechte}, ekzematischer Dermatitis und Dermatitis herpetiformis beschrieben. Veränderungen der proximalen intestinalen {zum mittleren Darm gehörende} Mukosa werden fast regelmäßig bei Patienten mit Dermatitis herpetiformis gefunden. In einer Studie hatten 21 der 22 Patienten Läsionen, die in der Schwere von einer vollständig »abgeflachten« bis zu einer fast normalen intestinalen Mukosa reichten. Die Mukosaveränderungen waren häufig unregelmäßig in der Verteilung. Klinische Anzeichen und Laborparameter für eine deutliche Malabsorption sind selten, möglicherweise aufgrund der an dieser Hauterkrankung beteiligten begrenzten Länge des Dünndarms. Die Hautveränderungen der Dermatitisherpetiformis sprechen auf Sulfone an, die Darmveränderungen jedoch nicht. Andererseits kann bei einigen Patienten mit abgestumpften und abgeflachten intestinalen Mukosaläsionen und Steatorrhoe nach Weglassen des Glutens in der Diät eine auffällige Verbesserung der Zottenarchitektur und ein Rückgang der Steatorrhoe {fettiger Durchfall, Fettausscheidung im Stuhl} beobachtet werden, ohne daß sich die Hautveränderungen bessern. Des weiteren kann die Verabreichnung einer glutenreichen Diät bei Patienten mit Dermatitis herpetiformis und einer morphologisch normalen Dünndarmmukosa zur Ausbildung von abgestumpften und abgeflachten Schleimhautläsionen führen, die nicht von denen der Zöliakie zu unterscheiden sind. Wie bei der letztgenannten Erkrankung wird auch eine erhöhte Häufigkeit von HLA-A1 {human leukocyte antigen - type A1, Leukozyten Antigen} und HLA-B8 beobachtet. Diese Beobachtungen werfen die interessante Frage auf, ob bestimmte Patienten mit Dermatitis herpetiformis und Malabsorptionssyndrom eine latente Zöliakie haben.
Biochemische oder genetische Veränderung
Einheimische Sprue (Zöliakie)
Die einheimische Sprue ist eine Erkrankung, die durch Malabsorption, eine abnorme Dünndarmstruktur und eine Unverträglichkeit von Gluten, einem in Weizen und Weizenprodukten enthaltenen Protein, charakterisiert wird. Sie wird dementsprechend auch als Gluten-induzierte Enteropathie bezeichnet. Zöliakie bei Kindern und einheimische Sprue bei Erwachsenen sind wahrscheinlich ein und dieselbe Erkrankung mit der gleichen Pathogenese.
Es gibt nicht genügend Daten, um eine genaue Schätzung der Inzidenz er Bevölkerung vorzunehmen. Das liegt vorallem daran, daß die Schwere der Erkrankung sehr variiert und der einzelne typische Mukosaveränderungen aufweisen kann, ohne offenkundige Symptome zu zeigen. 70 % der Fälle in den meisten Untersuchungen sind Frauen. Die Inzidenz bei Geschwistern scheint um ein Vielfaches höher zu sein als bei der Gesamtbevölkerung. Es wird vermutet, daß Sprue durch ein dominantes Gen mit inkompletter Penetranz vererbt werden könnte. Zöliakie- Patienten haben eine erhöhte Häufigkeit von Serum- Histokompatibilitätsantigenen, besonders der HLA-DR3- und HLA-DQw2-Typen. Der HLA-DR3-Phenotyp wird bei 70-90 % der Sprue- Patienten im Vergleich zu 20-25 % der Normalbevölkerung gefunden. Die HLA- Antigene sind möglicherweise mit Genen der Immunantwort verbunden, die das immunologische Erkennen von bestimmten Substanzen (s. Kap. 64) festlegen. Es herrscht die Ansicht, daß solche genetischen Faktoren prädisponierend {vorbelastend} sind für die immunologische Tolerierung von Nahrungsmittelproteinen wie Peptiden in Gluten oder für die Produktion von pathogenen Antigluten- Antikörpern, die zu einer Bindung von Gluten an epitheliale Zellen mit nachfolgender Gewebezerstörung führen könnten. Die Dissonanz des Auftretens von Zöliakie bei HLA-identischen Geschwistern und einigen eineiigen Zwillingen erhebt die Frage, ob ein zusätzliches Sensibilisierungsgen (oder Gene), das noch nicht identifiziert wurde, für die Entwicklung von Zöliakie notwendig ist.
Pathophysiologie Gluten und die verwandte Substanz Gliadin sind Proteine mit einem hohen Molekulargewicht, die besonders in Weizen gefunden werden. Die alkohollösliche Fraktion des Glutens besteht aus glutaminreichen Gliadin-Polypeptiden, die in -, -, - und -Subgruppen eingeteilt werden können; Peptide aller 4 Gliadin- Subgruppen sind toxisch und induzieren {rufen hervor} die intestinalen Läsionen, wenn sie Patienten mit Zöliakie in der Remission verabreicht werden. Der exakte Mechanismus dieses Effektes ist nicht geklärt, aber es werden 2 Theorien vorgeschlagen, nämlich eine »toxische« und eine immunologische Theorie. Ein möglicher Mechanismus ist, daß Patienten mit Zöliakie eine spezifische Mukosa- Peptidase fehlt, so daß Gluten oder seine größeren glutaminhaltigen Peptide nicht effektiv in kleinere Peptide (d.h. Dipeptide oder Aminosäuren) hydrolysiert werden. Als Folge könnten »toxische« Peptide in der Mukosa akkumulieren. Es ist gezeigt worden, daß Patienten mit Zöliakie in Remission Steatorrhoe und typische Mukosaveränderungen entwickeln, wenn ihnen Gluten gegeben wird. Vergleichbare Resultate treten bei der Verabreichnung von Peptid- Hydrolysaten auf, die mindestens 8 Aminosäuren mit einem terminalen Glutaminrest enthalten. Es ist gezeigt worden, daß bei Patienten mit Zöliakie histologische Veränderungen innerhalb von Stunden nach der Einbringung von Gluten in das Ileum {unterer Teil des Dünndarms} auftreten. Im oberen Ileum werden keine Veränderungen beoachtet, was nahelegt, daß die Wirkung sofort eintritt und eher lokal als systemisch ist. Nachdem toxische Glutenfraktionen die oberflächlichen absorptiven Zellen zerstört haben, werden die geschädigten Zellen von der Schleimhautoberfläche in das Darmlumen abgestoßen. Um dies zu kompensieren, steigt die Zellproliferation an, die Krypten hypertrophieren, und die Zellwanderung nimmt zu, um die zerstörten und abgestoßenen Epithelzellen zu ersetzen. Diese beschleunigte Epithelzellenerneuerung ist reversibel durch eine glutenfreie Diät. Die intestinale Mukosa von Patienten mit Zöliakie zeigt zahlreiche Enzymveränderungen, einschließlich verminderter Spiegel von Disacchariden, alkalischer Phosphate und Peptidhydrolasen sowie einer verminderten Fähigkeit, Gluten- Peptide zu verdauen. Diese Abweichungen nähern sich jedoch nach einer erfolgreicher Behandlung mit glutenfreier Diät für gewöhnlich wieder Normalwerten an. Es gibt weitere Erkenntnisse, die das Konzept der Toxizität von Gluten und Glutenabbauprodukten bei Zöliakie unterstützen. Erstens ist Gliadin, besonders die A-Hälfte, für Sprue-Mukosa, die in einer Organkultur gehalten wird, toxisch und verursacht ultrastrukturelle Veränderungen sowie Depression der Disaccharidaseaktivität. Zweitens hydrolysiert die Sprue- Mukosa eine spezifische Fraktion eines Gliadinverdauungsprodukts (d.h. Fraktion 9) nur ungenügend, und die Fraktion 9 ist selektiv toxisch für Sprue- Mukosa. Drittens lösen spezifische Gluten- Fraktionen, die Patienten mit Zöliakie verabreicht werden, vorübergehende Veränderungen der Mukosa- Histologie und eine Depression der Disaccharidaseaktivität aus, eine vollständige Wiederherstellung ist jedooch innerhalb von 72 Stunden zu beobachten. Der schnelle Eintritt dieser Veränderungen und die prompte Erholung sprechen für einen direkten toxischen Effekt. Trotz intensiver Untersuchungen konnte jedoch keine persistente, spezifische oder selektive Peptidase- oder andere Enzymdefizienz nachgewiesen werden.
Es ist daran gedacht worden, daß Gluten oder Gluten- Metaboliten eine immunologische Reaktion der Darmmukosa auslösen könnten. Alternativ kann die Interaktion der T-Lymphozyten mit dem Kryptenepithel ein primäres Ereignis in der Pathogenese der intestinalen Läsion sein. Das Vorhandensein von mononukleären Entzündungszellinfiltraten in der Lamina propria der Mukosa, die günstige Antwort auf Glukokortikoidmedikamente, die Beobachtung von abnormen Antikörpern gegen Glaidin im Serum von Zöliakie- Patienten, die Synthese erhöhter Mengen von Antigliadin- Antikörpern durch Sprue- Mukosa in Organkultur und die Produktion von Lymphokinen wie dem Migrationsinhibitionsfaktor (MIF) durch Sprue- Mukosa, die mit Gliadin inkubiert wird, werden als Beleg zur Unterstützung dieser Hypothese aufgeführt. Es gibt jedoch immer noch keinen definitiven Nachweis dafür, daß ein abnormer (Immun-) Mechanismus für die Initiierung oder den Fortgang dieses Krankheitsprozesses von Bedeutung ist.
Eine mögliche Rolle des Adenovirus Serotyp 12 (Ad 12) in der Pathogenese der Zöliakie ist aufgrund von 2 Beobachtungen in Betracht gezogen worden: (1) die Homologie der Aminosäuresequenzen zwischen einem Teil des A-Glaidins und einem viruskodierten Protein (E16), das von Ad 12 produziert, und (2) Patienten mit unbehandelter Zöliakie haben viel häfiger Antikörper gegen Ad 12, verglichen mit behandelten Zöliakie- Patienten und Kontrollpersonen. In anderen Untersuchungen konnte indessen bei Zöliakie- Patienten im Vergleich zu Nichterkrankten keine auffällig höhere Prävalenz einer vorangegangenen Infektion mit Typ-12-Adenovirus nachgewiesen werden. Dennoch stimmen diese Beobachtungen mit der Hypothese überein, daß es sowohl einen Umweltfaktor als auch eine genetische Prädisposition geben muß, um zu erklären, warum nur bestimmte Personen eine Zöliakie entwickel. Trotz intensiver Untersuchungen gibt es noch nicht genügend Erkenntnisse, um die charakteristischen Ernährungsfaktoren sowie die immunologischen und genetischen Merkmale der Zöliakie zu einem klaren Bild von der Pathogenese der Erkrankung zu vereinen.
Jejunale Biopsieproben von Patienten mit Zöliakie zeigen normalerweise eine charakteristische Läsion. Es ist eine Abstumpfung und Abflachung der Mukosaoberfläche mit Zotten, die entweder fehlen oder breit und kurz sind, zu beobachten. Die Krypten sind vergrößert, zudem ist allgemein eine dichte Infiltration mit Entzündungszellen in der Lumina propria vorhanden. Das Oberflächenepithel ist verändert, es weist einen spärlichen Bürstensaum, kuboide anstatt normale kolumnare Zellen und Infiltration von Entzündungszellen in der Epithelschicht auf. Diese Veränderungen sind in der Regel im Dünndarm am ausgeprägtesten; vermutlich weil dieses Gebiet des Darmes der höchsten Glutenkonzentration ausgesetzt ist. Die typischen morphologischen Veränderungen, die in Abbildung 254-4 dargestellt werden, sind charakteristisch für Zöliakie, sind aber nicht spzifisch. Ähnliche Veränderungen sind bei anderen Zuständen beschrieben, einschließlich Lymphoma, tropische Sprue und Hypogammaglobinämie verbunden mit Malabsorption. Viele biochemische Abnormitäten sind in Biopsieproben von Zöliakie- Patienten nachgewiesen worden. Eine gestörte Veresterung der Fettsäuren zu Triglyzeriden, eine verminderte Aufnahme von Aminosäuren und eine vermiderte Aktivität der intestinalen Disaccharidasen (besonders der Laktase) sind gut dokumentiert. Die letztgenannte Beobachtung mag die hohe Inzidenz von Milchunverträglichkeit bei Patienten mit unbehandelter Zöliakie oder mit einem Rückfall erklären. Die größere Menge undifferenzierter Kryptenzellen kann jedoch wichtig sein, da Kryptenzellen normalerweise eine geringe Kapazität zur Nährstoffaufnahme haben als die Zottenzellen.
Da die Mukosa bei Patienten mit Zöliakie geschädigt und verändert ist, kann eine verminderte Freisetzung von pankreotropen Hormonen (Sekretin und Cholezystokinin, d.h. CCK) erfolgen. Dies führt zu einer verminderten Stimulation des Pankreas mit einem geringeren als normalen intraluminalen Spiegel an Pankreasenzymen nach einer Mahlzeit. Zusätzlich scheint die Gallenblase restitent gegen die Wirkung von Cholezystokinin zu sein, was zu fehlenden oder minimalen Kontraktionen der Gallenblase führt, was widerum den Einschluß der Gallensalze in einer empfindlichen Gallenblase zur Folge hat. Diese beiden Defekte können zu einer gestörten intraluminalen Digestion von Fett und Protein führen, was dann noch zusätzlich zu dem durch eine geschädigte Mukosa bedingten fehlerhaften Transport hinzukommt.
Ein Malabsorptionssyndrom, normalerweise in milder Form, ist bei Patienten mit einer Vielzahl von dermatologischen Erkrankungen einschließlich Psoriasis {Schuppenflechte}, ekzematischer Dermatitis und Dermatitis herpetiformis beschrieben. Veränderungen der proximalen intestinalen {zum mittleren Darm gehörende} Mukosa werden fast regelmäßig bei Patienten mit Dermatitis herpetiformis gefunden. In einer Studie hatten 21 der 22 Patienten Läsionen, die in der Schwere von einer vollständig »abgeflachten« bis zu einer fast normalen intestinalen Mukosa reichten. Die Mukosaveränderungen waren häufig unregelmäßig in der Verteilung. Klinische Anzeichen und Laborparameter für eine deutliche Malabsorption sind selten, möglicherweise aufgrund der an dieser Hauterkrankung beteiligten begrenzten Länge des Dünndarms. Die Hautveränderungen der Dermatitisherpetiformis sprechen auf Sulfone an, die Darmveränderungen jedoch nicht. Andererseits kann bei einigen Patienten mit abgestumpften und abgeflachten intestinalen Mukosaläsionen und Steatorrhoe nach Weglassen des Glutens in der Diät eine auffällige Verbesserung der Zottenarchitektur und ein Rückgang der Steatorrhoe {fettiger Durchfall, Fettausscheidung im Stuhl} beobachtet werden, ohne daß sich die Hautveränderungen bessern. Des weiteren kann die Verabreichnung einer glutenreichen Diät bei Patienten mit Dermatitis herpetiformis und einer morphologisch normalen Dünndarmmukosa zur Ausbildung von abgestumpften und abgeflachten Schleimhautläsionen führen, die nicht von denen der Zöliakie zu unterscheiden sind. Wie bei der letztgenannten Erkrankung wird auch eine erhöhte Häufigkeit von HLA-A1 {human leukocyte antigen - type A1, Leukozyten Antigen} und HLA-B8 beobachtet. Diese Beobachtungen werfen die interessante Frage auf, ob bestimmte Patienten mit Dermatitis herpetiformis und Malabsorptionssyndrom eine latente Zöliakie haben.
Biochemische oder genetische Veränderung
Einheimische Sprue (Zöliakie)
Die einheimische Sprue ist eine Erkrankung, die durch Malabsorption, eine abnorme Dünndarmstruktur und eine Unverträglichkeit von Gluten, einem in Weizen und Weizenprodukten enthaltenen Protein, charakterisiert wird. Sie wird dementsprechend auch als Gluten-induzierte Enteropathie bezeichnet. Zöliakie bei Kindern und einheimische Sprue bei Erwachsenen sind wahrscheinlich ein und dieselbe Erkrankung mit der gleichen Pathogenese.
Es gibt nicht genügend Daten, um eine genaue Schätzung der Inzidenz er Bevölkerung vorzunehmen. Das liegt vorallem daran, daß die Schwere der Erkrankung sehr variiert und der einzelne typische Mukosaveränderungen aufweisen kann, ohne offenkundige Symptome zu zeigen. 70 % der Fälle in den meisten Untersuchungen sind Frauen. Die Inzidenz bei Geschwistern scheint um ein Vielfaches höher zu sein als bei der Gesamtbevölkerung. Es wird vermutet, daß Sprue durch ein dominantes Gen mit inkompletter Penetranz vererbt werden könnte. Zöliakie- Patienten haben eine erhöhte Häufigkeit von Serum- Histokompatibilitätsantigenen, besonders der HLA-DR3- und HLA-DQw2-Typen. Der HLA-DR3-Phenotyp wird bei 70-90 % der Sprue- Patienten im Vergleich zu 20-25 % der Normalbevölkerung gefunden. Die HLA- Antigene sind möglicherweise mit Genen der Immunantwort verbunden, die das immunologische Erkennen von bestimmten Substanzen (s. Kap. 64) festlegen. Es herrscht die Ansicht, daß solche genetischen Faktoren prädisponierend {vorbelastend} sind für die immunologische Tolerierung von Nahrungsmittelproteinen wie Peptiden in Gluten oder für die Produktion von pathogenen Antigluten- Antikörpern, die zu einer Bindung von Gluten an epitheliale Zellen mit nachfolgender Gewebezerstörung führen könnten. Die Dissonanz des Auftretens von Zöliakie bei HLA-identischen Geschwistern und einigen eineiigen Zwillingen erhebt die Frage, ob ein zusätzliches Sensibilisierungsgen (oder Gene), das noch nicht identifiziert wurde, für die Entwicklung von Zöliakie notwendig ist.
Pathophysiologie Gluten und die verwandte Substanz Gliadin sind Proteine mit einem hohen Molekulargewicht, die besonders in Weizen gefunden werden. Die alkohollösliche Fraktion des Glutens besteht aus glutaminreichen Gliadin-Polypeptiden, die in -, -, - und -Subgruppen eingeteilt werden können; Peptide aller 4 Gliadin- Subgruppen sind toxisch und induzieren {rufen hervor} die intestinalen Läsionen, wenn sie Patienten mit Zöliakie in der Remission verabreicht werden. Der exakte Mechanismus dieses Effektes ist nicht geklärt, aber es werden 2 Theorien vorgeschlagen, nämlich eine »toxische« und eine immunologische Theorie. Ein möglicher Mechanismus ist, daß Patienten mit Zöliakie eine spezifische Mukosa- Peptidase fehlt, so daß Gluten oder seine größeren glutaminhaltigen Peptide nicht effektiv in kleinere Peptide (d.h. Dipeptide oder Aminosäuren) hydrolysiert werden. Als Folge könnten »toxische« Peptide in der Mukosa akkumulieren. Es ist gezeigt worden, daß Patienten mit Zöliakie in Remission Steatorrhoe und typische Mukosaveränderungen entwickeln, wenn ihnen Gluten gegeben wird. Vergleichbare Resultate treten bei der Verabreichnung von Peptid- Hydrolysaten auf, die mindestens 8 Aminosäuren mit einem terminalen Glutaminrest enthalten. Es ist gezeigt worden, daß bei Patienten mit Zöliakie histologische Veränderungen innerhalb von Stunden nach der Einbringung von Gluten in das Ileum {unterer Teil des Dünndarms} auftreten. Im oberen Ileum werden keine Veränderungen beoachtet, was nahelegt, daß die Wirkung sofort eintritt und eher lokal als systemisch ist. Nachdem toxische Glutenfraktionen die oberflächlichen absorptiven Zellen zerstört haben, werden die geschädigten Zellen von der Schleimhautoberfläche in das Darmlumen abgestoßen. Um dies zu kompensieren, steigt die Zellproliferation an, die Krypten hypertrophieren, und die Zellwanderung nimmt zu, um die zerstörten und abgestoßenen Epithelzellen zu ersetzen. Diese beschleunigte Epithelzellenerneuerung ist reversibel durch eine glutenfreie Diät. Die intestinale Mukosa von Patienten mit Zöliakie zeigt zahlreiche Enzymveränderungen, einschließlich verminderter Spiegel von Disacchariden, alkalischer Phosphate und Peptidhydrolasen sowie einer verminderten Fähigkeit, Gluten- Peptide zu verdauen. Diese Abweichungen nähern sich jedoch nach einer erfolgreicher Behandlung mit glutenfreier Diät für gewöhnlich wieder Normalwerten an. Es gibt weitere Erkenntnisse, die das Konzept der Toxizität von Gluten und Glutenabbauprodukten bei Zöliakie unterstützen. Erstens ist Gliadin, besonders die A-Hälfte, für Sprue-Mukosa, die in einer Organkultur gehalten wird, toxisch und verursacht ultrastrukturelle Veränderungen sowie Depression der Disaccharidaseaktivität. Zweitens hydrolysiert die Sprue- Mukosa eine spezifische Fraktion eines Gliadinverdauungsprodukts (d.h. Fraktion 9) nur ungenügend, und die Fraktion 9 ist selektiv toxisch für Sprue- Mukosa. Drittens lösen spezifische Gluten- Fraktionen, die Patienten mit Zöliakie verabreicht werden, vorübergehende Veränderungen der Mukosa- Histologie und eine Depression der Disaccharidaseaktivität aus, eine vollständige Wiederherstellung ist jedooch innerhalb von 72 Stunden zu beobachten. Der schnelle Eintritt dieser Veränderungen und die prompte Erholung sprechen für einen direkten toxischen Effekt. Trotz intensiver Untersuchungen konnte jedoch keine persistente, spezifische oder selektive Peptidase- oder andere Enzymdefizienz nachgewiesen werden.
Es ist daran gedacht worden, daß Gluten oder Gluten- Metaboliten eine immunologische Reaktion der Darmmukosa auslösen könnten. Alternativ kann die Interaktion der T-Lymphozyten mit dem Kryptenepithel ein primäres Ereignis in der Pathogenese der intestinalen Läsion sein. Das Vorhandensein von mononukleären Entzündungszellinfiltraten in der Lamina propria der Mukosa, die günstige Antwort auf Glukokortikoidmedikamente, die Beobachtung von abnormen Antikörpern gegen Glaidin im Serum von Zöliakie- Patienten, die Synthese erhöhter Mengen von Antigliadin- Antikörpern durch Sprue- Mukosa in Organkultur und die Produktion von Lymphokinen wie dem Migrationsinhibitionsfaktor (MIF) durch Sprue- Mukosa, die mit Gliadin inkubiert wird, werden als Beleg zur Unterstützung dieser Hypothese aufgeführt. Es gibt jedoch immer noch keinen definitiven Nachweis dafür, daß ein abnormer (Immun-) Mechanismus für die Initiierung oder den Fortgang dieses Krankheitsprozesses von Bedeutung ist.
Eine mögliche Rolle des Adenovirus Serotyp 12 (Ad 12) in der Pathogenese der Zöliakie ist aufgrund von 2 Beobachtungen in Betracht gezogen worden: (1) die Homologie der Aminosäuresequenzen zwischen einem Teil des A-Glaidins und einem viruskodierten Protein (E16), das von Ad 12 produziert, und (2) Patienten mit unbehandelter Zöliakie haben viel häfiger Antikörper gegen Ad 12, verglichen mit behandelten Zöliakie- Patienten und Kontrollpersonen. In anderen Untersuchungen konnte indessen bei Zöliakie- Patienten im Vergleich zu Nichterkrankten keine auffällig höhere Prävalenz einer vorangegangenen Infektion mit Typ-12-Adenovirus nachgewiesen werden. Dennoch stimmen diese Beobachtungen mit der Hypothese überein, daß es sowohl einen Umweltfaktor als auch eine genetische Prädisposition geben muß, um zu erklären, warum nur bestimmte Personen eine Zöliakie entwickel. Trotz intensiver Untersuchungen gibt es noch nicht genügend Erkenntnisse, um die charakteristischen Ernährungsfaktoren sowie die immunologischen und genetischen Merkmale der Zöliakie zu einem klaren Bild von der Pathogenese der Erkrankung zu vereinen.
Jejunale Biopsieproben von Patienten mit Zöliakie zeigen normalerweise eine charakteristische Läsion. Es ist eine Abstumpfung und Abflachung der Mukosaoberfläche mit Zotten, die entweder fehlen oder breit und kurz sind, zu beobachten. Die Krypten sind vergrößert, zudem ist allgemein eine dichte Infiltration mit Entzündungszellen in der Lumina propria vorhanden. Das Oberflächenepithel ist verändert, es weist einen spärlichen Bürstensaum, kuboide anstatt normale kolumnare Zellen und Infiltration von Entzündungszellen in der Epithelschicht auf. Diese Veränderungen sind in der Regel im Dünndarm am ausgeprägtesten; vermutlich weil dieses Gebiet des Darmes der höchsten Glutenkonzentration ausgesetzt ist. Die typischen morphologischen Veränderungen, die in Abbildung 254-4 dargestellt werden, sind charakteristisch für Zöliakie, sind aber nicht spzifisch. Ähnliche Veränderungen sind bei anderen Zuständen beschrieben, einschließlich Lymphoma, tropische Sprue und Hypogammaglobinämie verbunden mit Malabsorption. Viele biochemische Abnormitäten sind in Biopsieproben von Zöliakie- Patienten nachgewiesen worden. Eine gestörte Veresterung der Fettsäuren zu Triglyzeriden, eine verminderte Aufnahme von Aminosäuren und eine vermiderte Aktivität der intestinalen Disaccharidasen (besonders der Laktase) sind gut dokumentiert. Die letztgenannte Beobachtung mag die hohe Inzidenz von Milchunverträglichkeit bei Patienten mit unbehandelter Zöliakie oder mit einem Rückfall erklären. Die größere Menge undifferenzierter Kryptenzellen kann jedoch wichtig sein, da Kryptenzellen normalerweise eine geringe Kapazität zur Nährstoffaufnahme haben als die Zottenzellen.
Da die Mukosa bei Patienten mit Zöliakie geschädigt und verändert ist, kann eine verminderte Freisetzung von pankreotropen Hormonen (Sekretin und Cholezystokinin, d.h. CCK) erfolgen. Dies führt zu einer verminderten Stimulation des Pankreas mit einem geringeren als normalen intraluminalen Spiegel an Pankreasenzymen nach einer Mahlzeit. Zusätzlich scheint die Gallenblase restitent gegen die Wirkung von Cholezystokinin zu sein, was zu fehlenden oder minimalen Kontraktionen der Gallenblase führt, was widerum den Einschluß der Gallensalze in einer empfindlichen Gallenblase zur Folge hat. Diese beiden Defekte können zu einer gestörten intraluminalen Digestion von Fett und Protein führen, was dann noch zusätzlich zu dem durch eine geschädigte Mukosa bedingten fehlerhaften Transport hinzukommt.