09.10.2006, 17:59
Zitat:Freitag, 6. Oktober 2006
Baltimore - Eine experimentelle Immunvakzine, in der das Allergen an kurze DNA-Abschnitte gekoppelt ist, könnte bei der allergischen Rhinokonjunktivitis eine beschleunigte Immuntoleranz induzieren. In einer Pilotstudie im New England Journal of Medicine (2006; 355: 1445-1455) wurde mit nur sechs Injektionen eine deutliche Abschwächung der Heuschnupfen-Symptome erzielt. Die Wirkung war auch im Jahr nach der „Impfung“ noch unvermindert vorhanden, was auf eine langfristig erfolgreiche „Desensibilisierung“ hindeutet.
Die „Desensibilisierung“, heute als spezifische Immuntherapie (SIT) bezeichnet und von der Weltgesundheitsorganisation als Variante der „Impfung“ bezeichnet, ist häufig wirksam, erfordert aber viel Geduld vom Patienten. Bei der konventionellen SIT muss der Allergiker nach einer allmählichen Dosissteigerung während der Erhaltungsphase regelmäßig Allergene (oder Allergoide) subkutan appliziert bekommen. Dies erfolgt, wegen des (geringen) Risikos einer akuten allergischen Reaktion, in der Regel unter ärztlicher Aufsicht. Die Behandlung erstreckt sich über 3 bis 5 Jahre.
Die Hersteller der „konventionellen“ Präparate, welche die natürlichen Allergene (eventuell nach chemischer Behandlung als „Allergoide“) enthalten, haben zwar schon Verfahren zur prä-saisonalen Kurzt-SIT entwickelt, die innerhalb von sechs Wochen unmittelbar vor der Pollen-Saison einen Schutz bieten (sollen), doch viele Allergologen erwarten den Durchbruch von einer neuen Generation von Präparaten. Bei diesen sind die Allergene an kurze DNA-Abschnitte gekoppelt, was die Immuntoleranz verbessern soll.
Jetzt liegen die Ergebnisse einer Phase-II-Studie zu einem derartigen Präparat vor. Bei ihm ist das Allergen, in diesem Fall „Amb a 1“ von Beifuß-Pollen (Ambrosia artemisiifolia), an eine „immunstimulatorische“ DNA-Sequenz (AIC) gebunden. Die DNA besteht aus einer Abfolge von Bausteinen, die als „CpG-Motiv“ an dem „toll-like“-Rezeptor 9 (TLR9) bindet an der Oberfläche von bestimmten dendritischen Zellen. Diese sind als antigen-präsentierende Zellen ein Dreh- und Angelpunkt der allergischen Immunreaktion.
Ob sich mit einer derartigen Vakzine tatsächlich ein wirksamer und vor allem dauerhafter Schutz vor allergischen Beschwerden erzielen lässt, wurde an einer Gruppe von 25 erwachsenen Menschen mit saisonaler Rhinitis und positivem Hauttest auf Beifußpollen untersucht. Die Probanden erhielten vor dem Beginn der Pollensaison 2001 im Abstand von jeweils einer Woche insgesamt sechs Injektionen mit der AIC-Vakzine oder Placebo.
Primärer Endpunkt der Studie war eine Steigerung des Albumingehalts in der Lavage des Nasensekrets. Sie ist ein Marker für Gefäßpermeabilität, die nach einer nasalen Allergenprovokation ansteigt. Eine erfolgreiche SIT sollte diesen Anstieg verhindern. Doch die Immunvakzine versagte in diesem Punkt. Es kam nach der AIC-Impfstoff jedoch zu einem Anstieg der spezifischen IgG-Antikörper und, was wichtiger ist, langfristig zu einer Suppression der spezifischen IgE-Antikörper. Diese sind über die Freisetzung von Histamin aus den Mastzellen direkt für die klinischen Symptome des Heuschnupfens verantwortlich. Auch die Konzentration von Interleukin 4, einem Zytokin der allergischen “TH2-Reaktion”, war vermindert.
Wichtiger ist, dass sich auch die Beschwerden besserten. Die Gruppe um Peter Creticos vom Johns Hopkins Asthma and Allergy Center in Baltimore berichtet von einem Rückgang in einem Nasal Symptom Complex Score (NSCS) um 55 Prozent. Dieser Effekt war auch während der folgenden Pollensaison (auch ohne erneute SIT) noch nachweisbar. Dieses Mal war der NSCS im Vergleich zu Placebo um 53 Prozent reduziert. Dies deutet insgesamt doch auf eine langfristige Wirksamkeit der neuen AIC-Vakzine hin. Genau wird man dies aber erst in einigen Jahren wissen. Angesichts der geringen Teilnehmerzahl dürften die Zulassungsbehörden einer Markteinführung vorerst noch nicht zustimmen, auch weil noch zu wenige Daten zur Sicherheit der Vakzine vorliegen.
Nach Angaben des Herstellers wurde die Vakzine jedoch in 14 klinischen Studien bereits an mehr als 7.000 Patienten eingesetzt. Für das erste Halbjahr 2007 werden erste Zwischenergebnisse einer größeren placebokontrollierten Studie angekündigt. rme/aerzteblatt.de
Quelle: http://www.aerzteblatt.de/v4/news/news.asp?id=25933