21.12.2005, 08:41
Überschwemmen US-Kunstweine die EU?
Vor allem in Deutschland gibt es massive Kritik an dem Abkommen — Auf Qualität setzen
Gegen den Widerstand Deutschlands haben die Agrarminister der EU-Staaten ein Weinabkommen mit den USA gebilligt. Danach sollen in der EU künftig auch amerikanische Weine zugelassen werden, die nicht nach europäischen Standards produziert wurden.BRÜSSEL - Alle Versuche des deutschen Verbraucherschutzministers Horst Seehofer (CSU), seinen Kollegen „reinen Wein“ einzuschenken, waren vergebens. „Wir dürfen nicht zulassen, dass unser Markt mit Kunstwein aus den USA überschwemmt wird“, hatte er vor Beginn der entscheidenden Sitzung in Brüssel gesagt. Doch ausgerechnet die beiden anderen großen Weinländer Frankreich und Italien waren schon umgefallen.So war der befürchtete Beschluss keine Überraschung mehr: Ab 1. Januar 2006 wird der Markt liberalisiert. Amerikanische Coca-Cola-Weine, wie die aus Alkohol, Wasser und Zuckerwasser (bis 35 Prozent) zusammengepanschten Essenzen genannt werden, dürfen frei in die EU importiert werden. Seehofer: „Wenn die Amerikaner Wasser in den Wein gießen können, ist es nur eine Frage der Zeit, bis das auch für andere Länder gilt und dann kommt die ganze Kultur und Qualität des deutschen Weins ins Rutschen.“Keine Norm mehrSchon bisher flossen jedes Jahr 2,1 Millionen Liter Kunstweine der US-Marken „Burgundy“ oder „Bordeaux“ und sogar „Mosel“ in die EU. Europas Winzer versorgen den US-Markt mit 3,9 Millionen Liter Wein. Die Kritik der Winzerverbände richtet sich vor allem gegen die mangelhafte Auszeichnungspflicht, bei der der Verbraucher nicht mehr auf dem Etikett erkennen kann, was er kauft. „Das Abkommen würde dazu führen, dass es keine internationale Norm mehr gibt“, warnte der Präsident des Deutschen Weinbauernverbandes, Norbert Weber. Jedes Land könne selbst bestimmen, „was Wein ist und wie er hergestellt wird“.„Für den Verbraucher“, so Horst Seehofer, „verschärft sich das Problem noch dadurch, dass die EU nicht einmal das Recht hat, in Europa bisher nicht zulässige Praktiken der Herstellung auf den Etiketten von US-Weinen anzugeben. Ein deutscher Winzer, der heute Wein so wässert, wie es in den USA zulässig ist und zum Teil praktiziert wird, macht sich strafbar.“ Die besonders edlen, süßen Beeren- und Trockenbeerenauslesen und Eisweine werden künftig in den Vereinigten Staaten gar nicht mehr als Weine anerkannt, weil sie weniger als sieben Prozent Alkohol haben.Nach der Entscheidung des EU-Ministerrates wollen die Deutschen wenigstens eine bessere Kennzeichnungspflicht durchsetzen. Die Europa-Abgeordnete Anja Weisgerber (CSU) aus der Weinregion Unterfranken: „Eine Kennzeichnungspflicht für Kunstweine wäre das Mindeste, um den Verbraucher über die Art und Weise der Weinherstellung zu informieren.“Das Weltweininstitut OIV hatte bereits einen internationalen Standard für die Weinproduktion ausgearbeitet, die USA sind aber schlicht ausgetreten. Wäre das Abkommen der EU mit den USA gescheitert, befürchteten die EU-Exporteure scharfe Zulassungsverfahren für den US-Markt.Qualität ins Blickfeld rückenDer Verband Prädikatsweingüter will deshalb jetzt zum Gegenangriff übergehen und die Vorzüge des deutschen Weins besser herausstellen. „Uns hilft nur noch ein klar erkennbares Reinheitsgebot für den deutschen Wein“, argumentiert Präsident Michael Prinz zu Salm, der das Abkommen als „Super-GAU für den Wein“ sieht.Davon sind auch die Winzer anderer EU-Länder überzeugt, wobei sich die Österreicher aber gerne jene skurrile Begebenheit aus dem Jahre 1974 erzählen. Damals flog in Innsbruck eine groß angelegte Weinfälschung auf. Der Kunstwein musste aus den Regalen genommen werden und wurde durch Rotwein ersetzt. Dieser aber schmeckte nun schlechter als die gewohnte gesüßte Ware, so dass die Kundschaft misstrauisch wurde und den echten Wein für Kunstwein hielt.
DETLEF DREWES
21.12.2005 0:00 MEZ
http://www.nn-online.de/artikel.asp?art=436180&kat=3
Uli
*Prostmahlzeit*
Vor allem in Deutschland gibt es massive Kritik an dem Abkommen — Auf Qualität setzen
Gegen den Widerstand Deutschlands haben die Agrarminister der EU-Staaten ein Weinabkommen mit den USA gebilligt. Danach sollen in der EU künftig auch amerikanische Weine zugelassen werden, die nicht nach europäischen Standards produziert wurden.BRÜSSEL - Alle Versuche des deutschen Verbraucherschutzministers Horst Seehofer (CSU), seinen Kollegen „reinen Wein“ einzuschenken, waren vergebens. „Wir dürfen nicht zulassen, dass unser Markt mit Kunstwein aus den USA überschwemmt wird“, hatte er vor Beginn der entscheidenden Sitzung in Brüssel gesagt. Doch ausgerechnet die beiden anderen großen Weinländer Frankreich und Italien waren schon umgefallen.So war der befürchtete Beschluss keine Überraschung mehr: Ab 1. Januar 2006 wird der Markt liberalisiert. Amerikanische Coca-Cola-Weine, wie die aus Alkohol, Wasser und Zuckerwasser (bis 35 Prozent) zusammengepanschten Essenzen genannt werden, dürfen frei in die EU importiert werden. Seehofer: „Wenn die Amerikaner Wasser in den Wein gießen können, ist es nur eine Frage der Zeit, bis das auch für andere Länder gilt und dann kommt die ganze Kultur und Qualität des deutschen Weins ins Rutschen.“Keine Norm mehrSchon bisher flossen jedes Jahr 2,1 Millionen Liter Kunstweine der US-Marken „Burgundy“ oder „Bordeaux“ und sogar „Mosel“ in die EU. Europas Winzer versorgen den US-Markt mit 3,9 Millionen Liter Wein. Die Kritik der Winzerverbände richtet sich vor allem gegen die mangelhafte Auszeichnungspflicht, bei der der Verbraucher nicht mehr auf dem Etikett erkennen kann, was er kauft. „Das Abkommen würde dazu führen, dass es keine internationale Norm mehr gibt“, warnte der Präsident des Deutschen Weinbauernverbandes, Norbert Weber. Jedes Land könne selbst bestimmen, „was Wein ist und wie er hergestellt wird“.„Für den Verbraucher“, so Horst Seehofer, „verschärft sich das Problem noch dadurch, dass die EU nicht einmal das Recht hat, in Europa bisher nicht zulässige Praktiken der Herstellung auf den Etiketten von US-Weinen anzugeben. Ein deutscher Winzer, der heute Wein so wässert, wie es in den USA zulässig ist und zum Teil praktiziert wird, macht sich strafbar.“ Die besonders edlen, süßen Beeren- und Trockenbeerenauslesen und Eisweine werden künftig in den Vereinigten Staaten gar nicht mehr als Weine anerkannt, weil sie weniger als sieben Prozent Alkohol haben.Nach der Entscheidung des EU-Ministerrates wollen die Deutschen wenigstens eine bessere Kennzeichnungspflicht durchsetzen. Die Europa-Abgeordnete Anja Weisgerber (CSU) aus der Weinregion Unterfranken: „Eine Kennzeichnungspflicht für Kunstweine wäre das Mindeste, um den Verbraucher über die Art und Weise der Weinherstellung zu informieren.“Das Weltweininstitut OIV hatte bereits einen internationalen Standard für die Weinproduktion ausgearbeitet, die USA sind aber schlicht ausgetreten. Wäre das Abkommen der EU mit den USA gescheitert, befürchteten die EU-Exporteure scharfe Zulassungsverfahren für den US-Markt.Qualität ins Blickfeld rückenDer Verband Prädikatsweingüter will deshalb jetzt zum Gegenangriff übergehen und die Vorzüge des deutschen Weins besser herausstellen. „Uns hilft nur noch ein klar erkennbares Reinheitsgebot für den deutschen Wein“, argumentiert Präsident Michael Prinz zu Salm, der das Abkommen als „Super-GAU für den Wein“ sieht.Davon sind auch die Winzer anderer EU-Länder überzeugt, wobei sich die Österreicher aber gerne jene skurrile Begebenheit aus dem Jahre 1974 erzählen. Damals flog in Innsbruck eine groß angelegte Weinfälschung auf. Der Kunstwein musste aus den Regalen genommen werden und wurde durch Rotwein ersetzt. Dieser aber schmeckte nun schlechter als die gewohnte gesüßte Ware, so dass die Kundschaft misstrauisch wurde und den echten Wein für Kunstwein hielt.
DETLEF DREWES
21.12.2005 0:00 MEZ
http://www.nn-online.de/artikel.asp?art=436180&kat=3
Uli
*Prostmahlzeit*