22.06.2006, 09:01
http://www.aerzteblatt.de/v4/news/news.asp?id=24639
Medizin
Fischfarmen als Quelle von Antibiotika-Resistenzen
Valhalla/New York - Während Antibiotika als „Mastbeschleuniger“ in der Tiermast in vielen Ländern verboten sind, gibt es in der Fischindustrie oft keinerlei Restriktionen. Doch in der „Aquakultur“ kommen große Mengen von Antibiotika zum Einsatz. In Environmental Microbiology (2006; doi:10.1111/j.1462-2920.2006.01054.x) warnt ein Mikrobiologe vor den Folgen für die menschliche Gesundheit.
Die Aquakultur deckt bereits 29 Prozent aller Gesamtfischanlandungen. Die „Zucht“ der Fische ist ähnlich intensiv wie die Tiermast. Die Fische werden auf engem Raum gehalten. Um sie vor Infektionen zu schützen, setzen viele Betriebe Antibiotika ein. Sie werden in der Regel dem Fischfutter beigesetzt, das ins Wasser geschüttet wird. Damit gelangen die Antibiotika auch in die Umwelt. Nach Recherchen von Felipe Cabello, einem Mikrobiologen am New York Medical College in Valhalla/New York gibt es zahlreiche Hinweise dafür, dass die Verfütterung von Antibiotika die mikrobielle Flora in der Umgebung von Fischfarmen verändert. Dort würden heute vermehrt antibiotikaresistente Bakterien gefunden.
Da die Fische nicht bakteriologisch steril auf den Markt gelangen, geraten die antibiotikaresistenten Bakterien nach dem Verzehr der Fische mit menschlichen Erregern in Kontakt. Die Folge ist eine Veränderung der intestinalen Flora. Dort werden die Resistenzgene dann unter Umständen an Humanpathogene weitergereicht.
Dass dies keineswegs nur theoretische Bedenken sind, zeigt laut Cabello das Beispiel von antibiotikaresistenten Salmonella enterica vom Serotyp Typhimurium DT104, einem Stamm, der für zahlreiche Ausbrüche einer Salmonellose in Europa und in den USA verantwortlich war. Mikrobiologen fanden das verantwortliche Resistenzgen auf übertragbaren Genabschnitten, die auch eine Resistenz gegen das Antibiotikum Florfenicol vermittelten. Florfenicol wird vor allem im Fernen Osten extensiv in der Aquakultur eingesetzt. Dort haben viele Fischpathogene mittlerweile eine Resistenz entwickelt.
Ein anderes Beispiel: Im Jahr 1992 war in Lateinamerika eine Cholera-Epidemie mit resistenten V. cholera ausgebrochen. Die Resistenz war nach Auskunft Cabellos die Folge des ungehemmten Einsatzes von Antibiotika in Shrimpsfarmen. Kürzlich seien erstmals Chinolon-resistente gram-negative Erreger beim Menschen nachgewiesen worden, die diese Eigenschaft vermutlich von Bakterien erhalten haben, die Fische befallen. Gesundheitsprobleme können nach Einschätzung Cabellos auch durch den Verzehr von mit Antibiotika belasteten Fischen entstehen.
Die potenziellen Risiken wurden von vielen Ländern erkannt, die den Einsatz von Antibiotika einschränkten. In anderen Ländern, Cabello nennt Chile und China, gebe es keine Restriktionen. In Chile kämen in der Humanmedizin jährlich 10 bis 12 Tonnen Antibiotika zum Einsatz, in der Veterinärmedizin dagegen 100 bis 110 Tonnen, das meiste davon in der Aquakultur. In Chile, aber auch in China würden vermehrt Fluorochinolone eingesetzt, was negative Auswirkungen auf den Einsatz dieser Medikamente beim Menschen haben könnte. Cabello jedenfalls bringt in seinem Aufsatz die Zunahme von Fluorochinolon-Resistenzen beim Menschen in China mit dem ungehemmten Einsatz von Antibiotika aus dieser Gruppe in Verbindung. /rme
Links zum Thema
Text der Publikation
http://www.blackwell-synergy.com/doi/ful...06.01054.x
Pressemitteilung von Environmental Microbiology
http://www.eurekalert.org/pub_releases/2...062006.php
Medizin
Fischfarmen als Quelle von Antibiotika-Resistenzen
Valhalla/New York - Während Antibiotika als „Mastbeschleuniger“ in der Tiermast in vielen Ländern verboten sind, gibt es in der Fischindustrie oft keinerlei Restriktionen. Doch in der „Aquakultur“ kommen große Mengen von Antibiotika zum Einsatz. In Environmental Microbiology (2006; doi:10.1111/j.1462-2920.2006.01054.x) warnt ein Mikrobiologe vor den Folgen für die menschliche Gesundheit.
Die Aquakultur deckt bereits 29 Prozent aller Gesamtfischanlandungen. Die „Zucht“ der Fische ist ähnlich intensiv wie die Tiermast. Die Fische werden auf engem Raum gehalten. Um sie vor Infektionen zu schützen, setzen viele Betriebe Antibiotika ein. Sie werden in der Regel dem Fischfutter beigesetzt, das ins Wasser geschüttet wird. Damit gelangen die Antibiotika auch in die Umwelt. Nach Recherchen von Felipe Cabello, einem Mikrobiologen am New York Medical College in Valhalla/New York gibt es zahlreiche Hinweise dafür, dass die Verfütterung von Antibiotika die mikrobielle Flora in der Umgebung von Fischfarmen verändert. Dort würden heute vermehrt antibiotikaresistente Bakterien gefunden.
Da die Fische nicht bakteriologisch steril auf den Markt gelangen, geraten die antibiotikaresistenten Bakterien nach dem Verzehr der Fische mit menschlichen Erregern in Kontakt. Die Folge ist eine Veränderung der intestinalen Flora. Dort werden die Resistenzgene dann unter Umständen an Humanpathogene weitergereicht.
Dass dies keineswegs nur theoretische Bedenken sind, zeigt laut Cabello das Beispiel von antibiotikaresistenten Salmonella enterica vom Serotyp Typhimurium DT104, einem Stamm, der für zahlreiche Ausbrüche einer Salmonellose in Europa und in den USA verantwortlich war. Mikrobiologen fanden das verantwortliche Resistenzgen auf übertragbaren Genabschnitten, die auch eine Resistenz gegen das Antibiotikum Florfenicol vermittelten. Florfenicol wird vor allem im Fernen Osten extensiv in der Aquakultur eingesetzt. Dort haben viele Fischpathogene mittlerweile eine Resistenz entwickelt.
Ein anderes Beispiel: Im Jahr 1992 war in Lateinamerika eine Cholera-Epidemie mit resistenten V. cholera ausgebrochen. Die Resistenz war nach Auskunft Cabellos die Folge des ungehemmten Einsatzes von Antibiotika in Shrimpsfarmen. Kürzlich seien erstmals Chinolon-resistente gram-negative Erreger beim Menschen nachgewiesen worden, die diese Eigenschaft vermutlich von Bakterien erhalten haben, die Fische befallen. Gesundheitsprobleme können nach Einschätzung Cabellos auch durch den Verzehr von mit Antibiotika belasteten Fischen entstehen.
Die potenziellen Risiken wurden von vielen Ländern erkannt, die den Einsatz von Antibiotika einschränkten. In anderen Ländern, Cabello nennt Chile und China, gebe es keine Restriktionen. In Chile kämen in der Humanmedizin jährlich 10 bis 12 Tonnen Antibiotika zum Einsatz, in der Veterinärmedizin dagegen 100 bis 110 Tonnen, das meiste davon in der Aquakultur. In Chile, aber auch in China würden vermehrt Fluorochinolone eingesetzt, was negative Auswirkungen auf den Einsatz dieser Medikamente beim Menschen haben könnte. Cabello jedenfalls bringt in seinem Aufsatz die Zunahme von Fluorochinolon-Resistenzen beim Menschen in China mit dem ungehemmten Einsatz von Antibiotika aus dieser Gruppe in Verbindung. /rme
Links zum Thema
Text der Publikation
http://www.blackwell-synergy.com/doi/ful...06.01054.x
Pressemitteilung von Environmental Microbiology
http://www.eurekalert.org/pub_releases/2...062006.php